Das war eine kurze Nacht: muss um 5 Uhr aus dem Bett wegen einer allzu vollen Blase. Kann dann nur noch dösen. Pünktlich halb 6 läutet der Wecker.
06.02 stehe ich unten in der Hotellobby. Ein Taxi wird bestellt und fährt Minuten später vor. 06.15 am Bahnhof. Jetzt haben wir Zeit für einen Kaffee und eine leicht warme Pitta mit Feta.
Es ist schon unglaublich viel Betrieb im Bahnhof.
6.35 wird am Lautsprecher bekannt gegeben, der Zug nach Alexandroupolis sei zum Einsteigen bereit. Wir lassen uns nicht lange bitten. An der elektronischen Abfahrtsanzeige stehen 2 Züge, einer davon (600A) fährt nach Alexandroupoli, der andere (360) nach Sofia.
Die 7-stündige, 463 Kilometer langen Reise, kostet im Regio 12.90€ in der 2. Klasse bzw 18€ in der 1. Klasse. Der ebenfalls einmal täglich verkehrende IC kostet 17.40 bzw 22.50, wobei dieser Zug nur eine knappe halbe Stunde weniger lange braucht.
Unser Dieseltriebzug aus der DDR wurde 1988/89 vom VEB/LEW Henningsdorf zusammen mit AEG entwickelt und an die griechischen Eisenbahnen geliefert. Er besteht heute aus den beiden Dieseltriebwagen die je zur Hälfte den Reisenden 2. Klasse zur Verfügung stehen, einem Grossraumwagen der 1. Klasse und einem je hälftigem Bar- + 1. Klassewagen. In der 2. Klasse sitzen die Leute recht dicht beieinander, in der 1. Klasse sitzen total knapp 10 Leute.
Pünktlich auf die Sekunde rollen wir los. Über die Weichen in der Bahnhofsausfahrt rollt der Zug in etwas höherem Schritttempo, es kracht schrecklich, Metall an Metall, die Angst einer Entgleisung ist da, jeder lauscht. Kaum aus dem Bahnhof ist der ganze Gleiskörper neu, die Schienen verschweisst, der Reisekomfort gross. Die ganze Zugskomposition ist versprayt und die Fenster ausser die der Führerstände sind total schmutzig (besseres Milchglas). In den Abteilen der 2. Klasse, in den Triebwagen sind Lärm und Erschütterungen zudem gross! Die 30-jährigem Züge halten sich aber recht wacker. Wir halten nur dort wo Reisende auszusteigen bzw einzusteigen wünschen. leider sind die fenstergriffe weg und die Übersetzfenster 3-4-fach verschlüsselt. Es bleibt also nur die Möglichkeit durchs Glas zu fotografieren.
Im Führerstand befinden sich 2 Lokführer, die genau wissen was zu tun ist. Der Zug wird begleitet won einem Zugchef und einem Schaffner, der einen Zugfunk sowie einen Handheldcomputer in der Hand hält und einen Fahrausweisdrucker am Gürtel hat. Die Crew des Barwagens besteht ebenfalls aus 2 Mitarbeitenden. Zusätzlich fährt eine Reinigungsfachkraft mit, die den Boden wischt, die Kübel leert und die Toiletten während der ganzen Reise tipptopp sauber hält. 7 Mitarbeitende im Zug, unzählige rot bemützte Bahnhofsvorstände, Weichen- und Barrierenwärter an der Strecke – wieviel beträgt wohl der tägliche Verlust? Es fahren ausser den 4 Zügen je ein IC bzw Regio je Richtung, kein Zug. Überall, an jedem Bahnhof stehen alte, halb verrostete, ausgebrannte, unvollständige Wagen mit und ohne Räder herum. Jeder der ein Stück Blech oder ein Brett für irgendeine Bastelei zu Hause braucht, bedient sich.
Anfangs bin ich bei der Vorbeifahrt an geschlossenen Flügelsignalen mit unveränderter Streckengeschwindigkeitrecht beunruhigt. Dann aber sehe ich dass viele Signaldrähte gekappt worden sind und ich merke dass die meisten Signale Halt zeigen und teilweise mit orangen Kreuzen ungültig gemacht wurden. Ein Teil der Signale befindet sich auch in halber Stellung und mindestens einmal sehe ich ein offenes Vorsignal mit dazugehörendem rotem Hauptsignal.
Interessante, recht abwechslungsreiche Landschaft, Ackerland, Dörfer, Seen, Sümpfe und ausgetrocknete Bäche und Flussläufe. Hier macht sich der Klimawandel voll bemerkbar, die Bäche sollten voll sein, sind aber vielerorts ausgetrocknet. Der Staub steht über den Äckern, Wiesen und Pflanzen sind dürr! Wie wird das erst im Sommer sein?!
Nach 2+1/4-Stunden erreichen wir Strymonas. Hier besteht offiziell der Anschluss per Bus nach Kulata in Bulgarien. Ein einziger Interrailer steigt aus. Der Bus lässt auf sich warten. Der Zug bleibt 10 Minuten stehen. Ich unterhalte mich mit dem Zugspersonal über die Verbindung nach Bulgarien, wenn ich am Freitag aus Alexandroupoli kommen werde. Eventuell gibt es ein Taxi. Der Schaffner spricht mit dem Bahnhofsvorstand. Am Freitag wird ein Taxi um 11.20 Uhr hier auf mich warten. Offiziell hält der Morgenzug hier aber nicht. Aber vielleicht gibt es einen Extrahalt. Mal schauen!
Östlich von Drama wird die Landschaft dramatisch! Karstlandschaft, tiefe Schluchten, unzugängliches Gebiet. Mehrere Schluchten durchfahren wir. Die Bahn folgt dem Fluss, fährt hin und wieder durch Galerien und Tunnel.
14.02 Uhr erreichen wir Alexandroúpoli. Noch immer existiert der alte Hauptbahnhof im Hafen, der nur nach einem kurzen Stopp, händisches Umlegen der Weiche und ungefähr 1500 Meter langer Rückwärtsfahrt erreicht werden kann.
Müde steigen wir aus, froh dem Dieselgestank entfliehen zu können und mal wieder richtig laufen zu können. Knapp 5 Minuten später erreichen wir das Hotel Marianne.
Spaziergang durch die Stadt, Mittagessen in einer mehr-besseren Fischgaststätte. Mit Feta gefüllter, gegrillter Tintenfisch, mmmmhhh schmeckt das toll! Dazu noch ein Glas Weisswein! Kaffee gibt es an der Meeres- bzwHafenfront.
Plötzlich kriege ich Bauchkrämpfe.
Heim ins Hotel, ruhig halten, Cola trinken, liegen.
Gegen halb 9 machen wir einen Spaziergang in die Stadt. Ich muss bald wieder heimkehren. Michali und Yvonne müssen alleine essen gehen.