Vor über zehn Tagen, am 2. April 2021 hat die Schifffahrtssaison 2021 auf dem Brienzersee begonnen. Seither verkehren wiederum täglich, mindestens zwei Kursschiffpaare von Interlaken Ost nach Brienz und zurück. In der Hochsaison fahren sogar 8 Kursschiffe täglich ab Interlaken Ost beziehungsweise Brienz.
11:37 Uhr verlasse ich Brienz. Interessante Gespräche unterwegs. Habe gar keine Zeit meine mitgenommene Zeitungslektüre hervor zu klauben.



Bereits kurz nach 12 Uhr sitze ich im obersten, offenen Geschoss des Brienzerseeschiffs.
Warum kommt kein Kellner? Angesichts dieser netten Bartische würde ich nämlich gerne einen Apero schlürfen.

Schade, dass die Schiffsrestauration noch immer nicht geöffnet sein darf.

Es ist eisig kalt. Zudem bläst eine noch viel kältere Bise. Gut habe ich die dickste Winterjacke angezogen.
Der Turm der Kirchenruine Sankt Peter auf dem Goldswilerhubel ist immer wieder ein besonderer Blickfang!


Anfangs des Aarelaufs beziehungsweise für mich heute Ausgangs des Schifffahrtskanals zum Brienzersee, unterfahren wir die normalerweise vertraut dröhnende Eisenbahnbrücke. Der Spatz der Zentralbahn kommt leider etwas zu spät. Siehst du ihn?

Ich muss mich immer wieder hinter dem Führerhaus vor dem Wind verstecken. Fotos im Stehen sind kaum möglich, der Wind ist allzu böig.
Ich bin verwundert, wie wenig Schnee noch am Niesen liegt. Die Oberländer Pyramide ist schon bald gänzlich schneefrei.

Erster freier Blick ans obere Seeende.

Bin erstaunt, dass bereits am ersten Unterwegshalt, in Bönigen fast ein Dutzend Fahrgäste einsteigt. Trotzdem habe ich noch immer das 3. Obergeschoss für mich alleine.

Diese Art abzulegen, nur ein paar wenige Meter zurückzufahren, um alsbald die Böniger Bucht zu durchfahren, ist auch nur im Frühjahr möglich. Im Sommer sind da zu viele Feriengäste und Einheimische am Strand beziehungsweise im Wasser.

Weit herunter liegt noch Schnee auf der Schattenseite der südlichen Brienzerseeberge.

Nun werden wir den See überqueren, um in …

… Ringgenberg See (auf der Foto hier in der Mitte rechts der Burgkirche Ringgenberg), an der Front des Hotels Seeburg anzulegen.

Da niemand ein oder aussteigen will, geht die Reise rasch längsquer über den See nach Iseltwald weiter.

Die Anlegestelle befindet sich auch hier in der Front eines Hotels, des Strandhotels Iseltwald.

Nur kurz war der Aufenthalt. Es ist keine Zeit für Ferien.
Der Blick zum gegenüber liegenden nördlichen Brienzerseeufer ist einfach schön. Der Lawinengraben der Farlouwi ist noch bis zur Strasse runter mit Schnee gefüllt. Rechts davon, am Ufer des Sees ist das neue Florens Ferienresort & Spa zu erkennen, das 2022 endlich eröffnet werden soll.

200 Grad Panorama von Westen entlang der nördlichen Brienzerseeberge nach Osten.

200 Grad Panorama von Osten entlang der südlichen Brienzerseeberge nach Westen.


Nun nähern wir uns schon den weltberühmten Giessbach Wasserfällen, wo das Wasser über 14 Stufen bzw 500 Höhenmeter zum Brienzersee runter stürzt.

Mein Urururgrossvater Johannes Kehrli, 1774-1854, war Schulmeister und Kleinbauer. Er hat als Besitzer der Waldwiesen am Giessbach, die Wasserfälle um 1818 von unten her erschlossen und ersten Besuchern der Wasserfälle in den Ställen ein einfaches Nachtlager angeboten.
Um 1855 musste die Besitzung verkauft werden. Erst 1875 wurde das Grandhotel Giessbach erbaut Auf dem kurzen Weg zwischen der Bergstation der Standseilbahn (erbaut 1879) und dem Grandhotel erinnert heutzutage eine Gedenktafel an ihn.

Die 1879 erbaute Standseilbahn vom See zum Grandhotel, war die erste Bahn mit einer Abt’schen Ausweiche, mit nur einer Spur, dafür aber einer Ausweiche in der Streckenmitte.

Die grossen Scheinwerferbüchsen, mit deren hellen Leuchten, vor bald einmal 100 Jahren, jeweils in der Hochsaison, die Wasserfälle illuminiert wurden, dienen heute als schön zurecht gemachte Blumenbeete.

Aha, nun wird auch tagsüber eifrig Strom produziert.

Die Giessbach Wasserfälle sind dagegen absolut mickrig!

Ab wann werden in- und ausländische Touristen, die unser schönes Land und den Brienzersee besuchen, wieder rauschende Wasserfälle erleben können?

Mein Blick gleitet noch einmal ins obere Aaretal, Haslital, zu den Quellen dieses schönen Gewässers.


Ich habe gar nicht gemerkt, wie lange ich jetzt schon auf dem Schiff bin und diese abwechslungsreiche Fahrt so geniessen kann.

Bald wird der Mühlebachfall wieder anschwellen und den heute frisch gefallenen Schnee in einem anderen Aggregatszustand dem See zuführen.

Stetig, viele würden sagen langsam, nähern wir uns der letzten Station dieser Schiffsreise: Brienz. Mein lieblicher Wohn- und Heimatort, die ruhige Tourismusperle am Brienzersee, liegt noch in der Winterstarre da. Ein paar 100 Meter weiter oben ist noch immer tiefster Winter.


In diesem Haus, 250 Meter entfernt von den Bahnhöfen der zb und BRB, sowie der Schiffländte, wohne ich. Das Chalet wurde 1915 nach dem Bau der Brienzersee Uferbahn, von meiner Urgrossmutter Anna-Barbara Kehrli wieder aufgebaut! Ihr Mann, Johann-Gottlob Hirsch von Sindelfingen, war 1888 sechs Monate vor der Geburt seines letzten Sohns, meinem Grossvater, gestorben.

Die Schiffsbesatzung hat einen tollen Job gemacht, danke vielmals!
Die Schiffsreise ist seit diesem Jahr merklich ärmer an Erschütterungen. Zudem werden die Haltestellen sehr sanft angefahren! Der Drink (so es ihn denn gegeben hätte) wäre während dieser Reise kein einziges Mal verschüttet worden. Schade ist einzig, dass die Lautsprecherdurchsagen der Besatzung nur in deutsch und französisch erfolgt sind.

20 Minuten nach der Ankunft legt das Schiff wieder ab, fährt auf der gleichen Strecke wieder zurück nach Interlaken Ost (See).




Zurück auf dem Quai bleibt, wie ein kleiner Trost, ein Blumenschifflein, liebevoll bepflanzt von Brienzer Gemeindearbeitern, danke.

Auch der Zug der Zentralbahn fährt nun nach Interlaken Ost und …

… verschwindet im Dorftunnel Brienz beziehungsweise …

… man könnte meinen, in meinem Keller.
Dies ist auch der Grund weshalb mein Heimetli nicht unterkellert ist und weshalb ich alle Züge spüren kann. Die zwei roten, parallel liegenden Lichter, sind der Zuschluss des abgefahrenen Zugs.
