08.03.2019, Heimreise trotz Generalstreik der Eisenbahner

Lasse mir Zeit mit dem Gang zum Bahnhof, es ist Streiktag, heute. Ich habe in einem online Medium gelesen, gestreikt werde für die Sache der Frauen – ob das wohl stimmt und ob die Frauen wohl mitstreiken?

09.20 am Bahnhof. Nicht viele Menschen. Die meisten sind wohl zu Hause geblieben?! Mein Zug wird mit 10‘ Minuten Verspätung angezeigt. Als ich auf dem Perron ankomme, sind es schon 15‘. Etwas später kommt die Durchsage wegen einem Zwischenfall zwischen Fasano und Monopoli stehe nur ein Gleis zur Verfügung, der Zug habe 20 Minuten Verspätung. Tatsächlich fährt der Frecciabianca dann aber mit 25‘ Minuten Verspätung ab. Meine Umsteigezeit in Milano von 58 Minuten schrumpft nur leicht, muss mir noch keine Sorgen machen.

Mein gebuchter Fensterplatz im Zug 3D entpuppt sich als bester Computerarbeitsplatz, er hat nämlich keinen Zentimeter Aussicht.

Henusode, werde zunächst mal die Billettkontrolle abwarten.

Der Zugchef ein ungewöhnlich grosser Italiener, der mich knapp überragt, sagt mir lachend, ich hätte Recht ihn zu fragen, ich wolle als Interrailreisender doch sicher etwas vom Land sehen.

Er konsultiert sein Zugpersonalgerät, schaut sich die ’nicht reserviert‘ gemeldeten Sitzplätze an und bietet mir eine Zweiergruppe in Fahrtrichtung links oder falls ich einen Sitzplatz mit Aussicht aufs Meer wolle, eine Vierergruppe am Ende des Wagens an. Gerne nehme ich auf der Heimreise nun die Meersicht.

Toller Service, ich bin überrascht, grazie tanto, signore capotreno!

Auf Deutsch verabschiedet sich der Zugchef! Jetzt wird die Reise ein voller Genuss!

Geniesse die vorbeiziehende Landschaft, die sanfte Fahrt. Dazwischen schlürfe ich einen Cappuccino und esse frische, warme Gipfeli an der Bar.

Mitten in der Prärie, bzw in der Nord-Süd-Mitte des Sporens stehen wir 10 Minuten vor einem roten Signal, niemand weiss warum! Ich werde erst jetzt gewahr, dass diese wichtige Eisenbahnstrecke teils noch eingleisig ist. In Termoli, dem bekannten Badeort ist tote Hose, ausser ein paar demonstrierenden Männer. Ein knappes halbes Dutzend Fahrgäste warten auf dem Perron.

Unsere Verspätung beträgt unterdessen 36 Minuten. Die Reise dem Meer entlang ist bei dem Wellengang besonders schön.

Die Augen immer weit offen zu haben ist aber anstrengend: Irgendwann fallen mir die Augen zu.

5 Minuten vor Ankunft in Ancona bin ich wieder wach. Der Zug hat unterdessen 44 Minuten Verspätung, was macht’s, ich geniesse die Reise, ich werde schon irgendwie heimkommen.

Zwischen Ancona und Rimini löst sich der Knopf, wir fahren immer schneller. Beim Verlassen der Adria haben wir nur noch etwas mehr als 35 Minuten Verspätung, in Bologna sind’s nur noch etwas mehr als 30‘.

Der Zug füllt sich hier mit Eisenbahnern, die aufgeregt ihre Zukunftsaussichten und das Problem der sinkenden Renten diskutieren und sich über das Ausbleiben der Frauen an den Demos für die Sache der Frauen ärgern. 133 Euro jede Woche für ein Zugbegleiters beweinen Billettverkäufer, wer kann schon davon Leben? Auch in Italien geht das nicht! Für dieses mickrige Geld haben wir 40 Jahre lang gearbeitet, mussten manchmal 2-3 Mal jede Woche auswärts übernachten, konnten unsere Familien nicht sehen.

Ich verstehe die Kollegen und ihre Wut sehr gut. Gerne würde ich sie fragen, wen sie denn das letzte, Mal gewählt haben. Aber ich traue mich nicht, in die Diskussion reinzureden, mein Italienisch ist zu wenig gut! In Parma verlassen mich die Kollegen, der Zug ist wieder halbleer.

Die letzte Stunde der Reise in diesem Frecciabianca bricht an. Nun merke ich an was für einer Störung mein iPad leidet. Jedes Mal wenn ich es an die Stromversorgung in italienischen Zügen hänge, schreibt meine Tastatur etwas anderes als dass ich schreibe, das ist Kacke!

Piacenza, der letzte reguläre Halt vor Milano Centrale. Nach der Ausfahrt aus dem Bahnhof überqueren wir den Po. Es ist erschreckend wie wenig Wasser der Fluss führt, der nördliche Flussarm ist bereits komplett ausgetrocknet, der Klimawandel scheint in vollem Gange zu sein!

Vor Milano, bei der Bündelung der vielen Eisenbahnlinien beginnt der Verkehr wieder zu stocken. Wir müssen ein paar Zügen des Typs Frecciarossa und Italo den Vortritt lassen.

Mit 25 Minuten Verspätung erreichen auch wir den Zentralbahnhof von Mailand. Fine corsa des Zuges, wenn auch nicht für mich! Obwohl viel weniger Züge zur Abfahrt bereit stehen, als an einem normalen Freitag, ist das Gewühl in der Bahnhofshalle enorm gross. Was ich mit Bedauern feststellen muss, es sind die Frauen die rempeln und schubsen und blöd keifen – es ist mir ein Graus! Kein Mann benimmt sich auch nur ähnlich rücksichtslos.

18.23 Uhr, auf die Sekunde genau fährt der SBB-Zug ab. Keine 5 Minuten nach der Abfahrt kommt der SBB-Kellner mit der Speisekarte. Ich entscheide mich für einen Wurst-Käse-Salat, etwas typisch Schweizerisches (bitte entschuldige die fehlenden Fotos), dazu trinke ich ein Falken-Weissbier, aus Schaffhausen.

Es dunkelt nun rasch. Fahre zusammen mit einer Visperin die auf Kreuzfahrt und in Trieste war gen Norden. Schön sich mal wieder in Mundart zu unterhalten.

Nachspeise ist ein Panna Cotta mit einem Himbeercoulis.

Vor Verbania kommen wir abrupt zu stehen. 15 Minuten in tiefster Nacht, niemand informiert.

Endlich geht es weiter, der Heimat entgegen!

Umsteigen in Spiez und Interlaken Ost. In Oberried erkenne ich direkt am Bahngleis weidende Gämsen, uiuiui der Winter kommt noch einmal zurück. 22.24 in Brienz.

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