Eigentlich wollte ich länger schlafen, aber es geht nicht. 5.30 bin ich hellwach und verspüre bald einmal ein natürliches Bedürfnis. Also stehe ich auf, packe meine sieben Sachen.
Ich habe noch viel Zeit, also geniesse ich eine ausgedehnte warme Dusche. Hinterher lösen sich mal wieder Handteller grosse Flecken alter Haut. Ich hoffe, ich werde nicht wund.
Um 7 Uhr esse ich ein kürzestes Frühstück. 5 Minuten später steht nämlich Freund Nenko da, der mich das Gewirr des maroden Bahnhofs begleitet.
Heute Morgen funktioniert keine einzige Rolltreppe, aber auch kein Lift und es dünkt mich als seien seit Gestern noch mehr Löcher im Plattenboden entstanden. Es nimmt mich schon Wunder für was der bulgarische Staat all die Steuergelder seiner rechtschaffenen Bürger und die EU-Subventionsmilliarden ausgibt!
7.25 sind wir an Bahnsteig 7. 7 Wagen stehen da, wo Leute einsteigen. Nur 4 Wagen werden nach Vidin an der Donau fahren. Zum Glück gibt es nur einen Wagen, der ein Abteil 1. Klasse aufweist, also können wir da einsteigen. Nenko deponiert mein Köfferchen auf dem Gepäckträger. Herzliche Verabschiedung. So Gott will, werden wir uns im Diesseits wieder sehen!
7.35 Uhr, der Zug fährt nicht ab. Naja, ein paar Minuten Verspätung macht nichts. 7.40 entdecke ich dass viele potentieller Mitreisende draussen stehen, diskutieren, trinken, rauchen. Aha die Lokomotive fehlt und überhaupt stehen da noch zu viele Wagen.
Um 8 Uhr sind die überzähligen Wagen auf einem anderen Gleis und steht die richtige Lok am Zug. 8.05 Uhr fahren wir endlich ab. Im Gleisfeld des Vorbahnhofs absolvieren die 2 Lokführer endlich eine richtige Bremsprobe bulgarischer Art. Dann endlich fahren wir mit 60 Stundenkilometer zur Stadt hinaus

Interessante Reise durch tiefe Schluchten und vorbei an hohen Bergen. Diese Gebirgsbahn mit unzähligen steilen Rampen ist auch Eisenbahnhistorisch recht interessant.


Leider sind alle Fensterscheiben im Zug, wie auch der Zug selbst, so schmutzig, dass das Fotografieren fast unmöglich ist. Zudem hängt in den Bergen noch der Nebel und Dunst der vergangenen Regentage.



Mir gegenüber sitzt ein Bulgare, dem ich, ich weiss nicht mehr warum, den Eisenbahner sofort angesehen habe. Nach der Fahrkartenkontrolle kommen wir ins Gespräch. Er ist Zugführer für ganz Bulgarien und nun auf dem fast 2-stündigen Heimweg in die Nähe von Vratsa, am Fusse des Balkangebirgs. Das Bahnhofsgebäude von Vratsa ist viel zu mächtig, ein Denkmal aus sozialistischer Zeit.



Nur noch ein junger Student und eine Touristin aus irgendwo sitzen im selben 15 Personenabteil. Nettes Gespräch mit dem Studenten, der sich doch ziemlich beklagt über das intolerante Verhalten der Bulgaren seinesgleichen gegenüber.

Wir haben die hohen Berge hinter uns gelassen und nähern uns langsam aber sicher der Donau und deren Tiefebene.



An vielen Bahnhöfen unterwegs steigen immer wieder Eisenbahnarbeiter aus dem Zug, die in Sofia eingestiegen sind und fast einen ganzen Wagen beansprucht haben. Mit Zement, Rohren, Werkzeugen und anderen Gegenständen bewaffnet machen sich sofort an die Arbeit.

Die Züge werden an jedem Bahnhof von einem weiblichen oder männlichen Rotkäppchen mit der roten Seite der Kelle begrüsst. Dann folgt ein kurzer Gang ins Büro/Stellwerk.

Mit der roten Seite der gesenkten Kelle zur Zugspitze hin wird signalisiert, dass die Abfahrtbereitschaft hergestellt wird.

Bald darauf wird die Kelle, sich drehend gehoben und dem Lokführer somit der Abfahrbefehl gegeben.

Während der Zug sich nun in Serpentinen in die Ebene hinunter windet, ist in der Ferne bereits die Donau auszumachen.


Ankunft in Vidin. Der Zug der rumänischen Staatsbahn CFR wartet hinter Gittern, so dass ja kein Reisender versucht die sozialistische Republik (ein Bruderstaat von Russland) unerlaubter und unkontrollier Weise zu verlassen.


Auf dem Bahnhof Platz wartet ein Postauto der Linie 20. Der Chauffeur versichert mir stolz, sein Fahrzeug stamme aus der Schweiz. Ich will nicht mitfahren, ich weiss ja nicht einmal das Ziel.

Anstatt dessen gehe ich ins nächstgelegene Hotel, Dunav. Für umgerechnet 43 € erhalte ich ein grosses Doppelzimmer inklusive Frühstück.

Nach einer Pause zum Relaxen und Laden der Akkus vom Handy und Tablet, spaziere ich die 150 Meter bis zur Donau.

Am liebsten würde ich hier und jetzt auf dieses Donauschiff umsteigen. So eine Reise in den Herbst, wenn das Schiff nicht übervoll ist, muss ich mal unternehmen. Wer reist mit?


Anstattdessen schaue ich mir dann aber die Stadt etwas näher an. Es sind schon viele Jahre vergangen, dass ich mit Felix einem ostdeutschen Mann, der mit seiner Frau nun in Nürnberg lebt und arbeitet, auf einer Fahrradtour von Wien nach Constanta am Schwarzen Meer, hier vorbeigeradelt bin.







Nein, ins Stadttheater will ich nicht, aber ins daneben gelegene Bistro.

Hier geniesse ich einen Schopskasalat, dann eine gemischten Grillplatte mit viel Gemüse und ein Knoblauchbrot …

Und natürlich einer vorzüglichen Aussicht auf die Promenade. Es ist auch jetzt gegen den Abend hin noch über 20 Grad warm.
