Seit dem 8. März bin ich jetzt in Quarantäne, hatte gleichzeitig nie mehr, mehr als 2 Menschen um mich herum.
Das Verbot oder sollte ich sagen das Leid der einen, ist mein heutiges Glück. Ich habe eine kleine Aufgabe, zwei Botengänge für Freunde von Bekannten in der Grossstadt zu erledigen. Dies ist die Gelegenheit meine Quarantäne zu unterbrechen, en passant eine Reise in die “Grossstädte“ Luzern, Zürich und Bern zu unternehmen und ein paar private Botengänge zu erledigen.
Wie in den letzten Tagen immer, ist der Himmel tief blau und wolkenlos, nicht mal ein Kondensstreifen verunziert das Dach unserer Welt. Schon kurz nach 7 verlasse ich meine Wohnung.

Der Interregio (IR) um 7:24 Uhr fällt immer noch aus und wird mit einem Extrazug mit unbekannter Abfahrtszeit ersetzt. Um 7:23 Uhr fährt dann aber ein Regio nach Meiringen ein. Gemäss Mitteilung der zb fallen alle Regio (R) zwischen Interlaken und Meiringen aus. Was soll also das? Sind die Fernsteuerungsbediensteten des operativen Betriebszentrums in Stansstad auch nach mehr als 10 Tagen Corona Lockdown bzw mehr als 15 Jahren Fernsteuerung noch immer nicht in der Lage, die Züge im Fahrplan, auf Zugabfahrtsanzeigern und online für Alle verständlich und korrekt zu erfassen und anzuzeigen. Auch heute Morgen hat mich wieder ein auswärtiger Reisender gefragt wie er jetzt nach Luzern fahren könne, ob mit der Bahn oder einem Bus oder über Bern …!

Nach Gesprächen mit einem Lokführer, Kundenbegleitern und anderen zb’lern, die allesamt noch altgediente Eisenbahner sind, erhalte auch ich die Gewissheit, dass die richtigen Anschriften, Bezeichnungen, Lautsprecherdurchsagen, und so weiter wohl möglich wären. Die Faulheit der Stansstädler ob einmaligen 100 Minuten Zusatzarbeit sei aber viel grösser, dies zeige sich auch bei geplanten sowie Störungsbedingten Unterbrüchen und Betriebsunfällen. Bei allen übrigen ÖV-Betrieben in der Schweiz und im Ausland wird gemäss Auskunft von Kollegen meistens korrekt angezeigt!
Mensch, ärgere dich nicht, geniesse den sonnigen Tag!Ich brenne richtig gehend darauf, mal wieder reisen zu können.
Nun verlasse ich Brienz in einem nur mit einer knappen Handvoll Reisenden besetzten Zug.



Die Sonne steht noch nicht hoch am Himmel, sie beleuchtet die Berge mit einer wunderbaren Morgenfarbe. Das Aaretal liegt noch im tiefsten Schatten. In Meiringen leuchten die Engelhörner über dem Reichenbachtal mit der Rosenlaui.


Steil geht es nun Bergan, bald einmal an der Brunnenfluh vorbei,

von wo ich einen letzten Blick des Brienzersees erhasche.

Ein letzter Blick zu Wandelhorn, Wildgärst und Oltschiburg (immer von links nach rechts).

Kaum oben auf dem Brünigpass, auf 1002 Meter über Meer (Mittelmeer oder Nordsee?), geht es schon wieder steil runter zum Chäppeli.

Nach einem kurzen Tunnel gibt jetzt im Frühling, solange die Laubbäume noch keine Blätter haben, einen wunderschönen Ausblick auf Lungern, den halbvollen Lungernsee, sowie den


Schlierengrat, das Mittagsgüpfi und den Pilatus (Mitte-rechts).



Obwohl ich vorwärts gerichtet fahre, mache ich doch immer wieder auch einen Blick in die Vergangenheit des Tages.


Fahrt dem Lungensee entlang nach Kaiserstuhl, wo der dritte und letzte Zahnstangenabschnitt ins Unterland beginnt.

Während der Rudenz im Talboden von Giswil noch im Schatten liegt, wird ein grosser Teil von Grossteil bereits von der Sonne beschienen


Entlang dem wie gewohnt glatten Sarnersee. Spiegelbilder vom gegenüberliegenden Ufer, in Fahrtrichtung und zurück zu den Berner Alpen.



Nach einem letzten Halt im Obwaldner Kantonshauptort Sarnen, gleitet der Zug der Sarner Aa entlang und erreicht bald einmal den Alpnachersee, einen der vielen Arme des Vierwaldstättersees.


8:52 Uhr erreichen wir Luzern. Immerhin fast 2 Dutzend Reisende steigen aus dem Zug aus und drei Reisende warten darauf einsteigen zu dürfen.


Es ist schon fast gespenstisch still, wo sonst um diese Zeit ein lebhafter Betrieb vorherrscht. Selbst abends um 23 Uhr habe ich die grosse Querhalle des Bahnhof noch nie so leer, sowohl Reisende wie auch Züge, gesehen.

Dank Corona Fahrplan habe ich anstatt 15 Minuten nun satte 40 Minuten Zeit zum Umsteigen. Das genügt für den ersten kurzen Botengang, dann hole ich mir einen Kaffee und ein Fudi, in Basel sagt Mann auch Schwöbli und geniesse auf einer Sitzbank auf dem Perron die wärmende Morgensonne.

9:35 Uhr ab Luzern, wir sind nur drei Reisende im ersten Doppelstockwagen. Ich habe zwar eine aktuelle Gratiszeitung gefunden, geniesse aber lieber die Landschaft und will sehen was sich im letzten Monat so alles verändert hat.
Am Rootsee dem Luzerner Ruderteich liegen viele Bäume in Ufernähe im Wasser. Ist es eine Aktion zur Vermehrung des Fischbestandes, so wie es sie auch am Thunersee und anderen schweizerischen Seen gibt? Ob diese Methode wohl nachhaltig ist?

Beim Halt in Rotkreuz sehe ich endlich einmal das 12-stöckige, 60 Meter hohe, hölzerne Hochhaus der Hochschule Luzern. Imposant was heute von der Architektur und Statik her alles möglich ist!


Überhaupt, der Knotenpunkt Rotkreuz ist in den vergangen Jahren enorm gewachsen.


Kurz darauf ist auch schon der Zugersee und im Hintergrund die Rigi zu sehen.



Noch dem Halt im reichen Kantonshauptort, erreichen wir schon bald eines der grössten Nadelöhre im schweizerischen Eisenbahnnetz. In der Blockstelle Litti verengt sich die Eisenbahnstrecke auf 8 Kilometern.
Wohl gibt es ungefähr in der Mitte, nämlich in Sihlbrugg einen Kreuzungsbahnhof, dieser ist aber zu kurz und kann nur mit stark reduzierter Geschwindigkeit befahren werden.

Sowohl der Albistunnel wie auch der kurz darauf, nach Durchqueren des Sihltals, folgende Zimmerbergtunnel wurden beide nur eingleisig gebaut und 1897 als wichtige Teile des Netzes der Nordostbahn (NOB) eröffnet. Seit nunmehr knapp 30 Jahren wird um die Entschärfung dieser engen Stelle zwischen Zürich und Luzern beziehungsweise dem Gotthard gerungen.


Nach neuesten Planungen des Bundesamts für Verkehr (BAV) ist nun geplant diesen Zimmerberg-Basistunnel, im direkten Anschluss an den seit 20 Jahren bestehenden, knapp 10 km langen Zimmerberg-Flankentunnel, ab circa 2035 zu bauen.
Kurz vor 10:30 Uhr erreichen wir Zürich Hauptbahnhof.


Auch hier, das gleiche Bild wie in Luzern: fast leere Hauptbahnhofshallen. Nach dem zweiten und letzten kurzen Botengang, fahre ich in die Kalkbreite, um meiner in strikter Quarantäne lebenden Schwester, ein paar vorösterliche Grüsse aus Brienz vor die Türe zu legen.


Die Trams fahren ebenfalls nach einem ausgedünnten Fahrplan. Auffällig ist, dass einzelne ~ 30 bis 80-jährige Fahrgäste mit höchstmöglichen Abstand zu anderen Reisenden in den Trams sitzen. Hingegen sehe ich mehrmals junge Leute, in Gruppen und hyper lebendig und aufgeregt schnatternd im Tram mitfahren.

Die Bäume hier im Unterland sind schon grün. Bald wird der Durchblick, den Mensch im Winter hat, verschwunden sein.



Zurück im Hauptbahnhof kaufe ich mir am einzigen geöffneten Bratwurststand, eine grillierte, leider schon fast verkohlte Wurst mitsamt Senf und Bürli.
Im mich immer wieder faszinierenden Schräglift fahre ich sodann runter zu Gleis 31/32.



Um zwölfnullzwo fahre ich mit dem Intercity weiter Richtung Bern.


Ich liebe es sehr, von einem dieser Gleise Richtung Westen abzufahren. Nach dem 20 Promille steilen Aufstieg aus dem Tiefbahnhof, fährt der Zug über ein paar Weichenstrassen und steigt dann ebenso steil weiter bergan, um auf der Kohlendreieckbrücke das ehemalige Kohlendreieck und heutige Unterwerk zu überqueren.



Ebenso steil ist die Talfahrt, um unter der Hardbrücke hindurch zu fahren. Ein weiteres Mal steigt die Strecke nun steil an und quert auf der längsten eingleisigen SBB Brücke, der Letzigrabenbrücke, ein grosses Gleisfeld. In Zürich Altstetten werden so die Fernbahngleise Richtung Westen konfliktfrei erreicht.
Die kurze Aussicht auf die westliche Stadt und auf die ‘Modelleisenbahnanlage’ unter dem Zug nimmt mich immer wieder gefangen.
15 km weiter im Westen werde noch einmal ein paar Gleisanlagen überquert. Von dort oben hat Mann einen guten, wenn auch kurzen Ausblick auf den Rangierbahnhof Limmattal.

Nach dem kurz darauf folgenden Heitersbergtunnel überquere ich heute ein zweites Mal die Reuss. Über Lenzburg —

Aarau —


Däniken —




Olten.




Die Betriebszentrale der SBB in Olten, von wo aus ein guter Teil der SBB Eisenbahnstrecken der Schweiz ferngesteuert werden, schafft, es uns ohne wesentliche Temporeduktion durch den Knoten zu schleusen.

Ohne Unterwegshalt umfahren wir über die Born- beziehungsweise Ruttigerlinie den Bahnhof Aarburg-Oftringen.

Diese Strecke musste ich 1980-81 im Rahmen meiner Tätigkeit in Olten, mehrere Male ablaufen, bevor sie dann im April 1981 eröffnet wurde.
Unter anderem hatte auf dieser Linie, während einer Langsamfahrt des Zuges, ein Mann auf dem WC, aus welchen Gründen auch immer, sein Gebiss verloren – ich fand es trotz intensiver Suche nicht.

Ab 1982 wollte ich in Bern und pendelte jeden Tag nach Olten. Der Anblick der Aarburg war für mich auf der Heimfahrt jeweils das “Bettmümpfeli“, bevor ich in den Erholungsschlaf fiel.

Über Rothrist erreichen wir die nun schon ältere NBS, Neubaustrecke Rothrist – Mattstetten.






56 Minuten nach Abfahrt in Zürich Hauptbahnhof erreicht der Intercity die Bundeshauptstadt Bern.


Kollege Urs erwartet mich schon. Austausch von ungelesenen/gelesenen Eisenbahnzeitschriften. Kurzes Gespräch über die Aktualitäten des Tages. Dann muss Urs schon wieder gehen, um seinen Monatsabschluss des ÖVs fertig zu stellen.
Da sowieso Alles geschlossen und die Stadt recht ausgestorben scheint, fahre ich um 13:35 Uhr in einem EuroCity weiter nach Spiez.
Der Zug besteht aus 2 Zugskompositionen ETR 610 von Fiat Ferroviara bzw Alstom. Die SBB hat diesen Zügen den Namen Astoro, was aus dem italienischen übersetzt Habicht heisst, gegeben. Von der Kopfform her sind es aber eher Entenschnäbel. In diesen Zügen erreichten wohl die meisten Corona Infizierten unser Land.


Der EuroCity fährt aus ebendiesen Gründen, seit geraumer Zeit und bis auf weiteres nur noch bis Brig und nicht mehr über die Grenze nach Italien.











Die Aussicht durch die, wie gewohnt dreckigen Fenster, ist fast überall in Siedlungsgebieten wegen den seit vielen Jahren stehenden hohen Lärmschutzwänden nur knapp genügend.





Umsteigen in Spiez.









Eine halbe Stunde später eneutes Umsteigen in Interlaken Ost.






Bereits um 14.23 Uhr erreiche ich meinen Heimatbahnhof.
Bin zwar müde, aber zufrieden. Machen doch noch eine kleine Dreiradrundfahrt in der Umgebung von Brienz.




Nach Sonnenuntergang entdecke ich auch im Garten immer mehr Büsche und Bäume die blühen.


Lieber Christoph, es ist schon wunderbar,was man in einem Einzigen Tag in der Schweiz alles sehen kann. Vielen Dank für die Vielen schönen Aufnahmen! Liebe Grüsse von Ruth und Fred
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Wohltuend, deinen Reisebericht zu lesen. Herzlichst Robi
Von meinem iPad gesendet
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