08.05.2019, ich verlasse UK, der Himmel weint oder 1 Reisender – 2 Länder – 3 Züge

Die letze Reisewoche für lange Zeit hat angefangen. Am 15.5. um Mitternacht endet die Gültigkeit meines 3-monatigen Interrails! Dann fängt der Ernst des Lebens wieder an, hahahaha!

Irgendwann wird ein Fazit dieser Reise zu ziehen sein, eines weiss ich aber jetzt schon: es war der erste, sicher aber nicht der letzte 3 Monate lang gültige Interrailpass, den ich gekauft habe.

Wenn ich allzuhäufig in Hotels nächtige, deren Fenster sich nicht öffnen lassen bzw deren Klimaanlagen sich nicht ausser Betrieb setzen lassen, dann leide ich wie angeworfen unter einem argen, lauten, sich hartnäckig haltenden Husten mit Auswurf. Dies ist jetzt auch der Fall! Ich werde zu Hause also wohl besser mal den Hausarzt aufsuchen.

09.58 fahre ich mit der LNER, der London North Eastern Railways, früher Virgin Rails (https://www.lner.co.uk) nach London. Den Sitzplatz habe ich mir gestern gratis reserviert. Kaum sitze ich, erhalte ich schon Tee und einen fruchtigen Apfelsaft.

Ich geniesse heute einen herrlich aromatischen Pfefferminz- und Kräutertee. Kurz darauf kommen, während draussen immer schneller eine ergrünende Landschaft vorbeizieht, ein paar Gutzis, dann Toastbrot mit Butter und Marmelade, dann einen warmen Avocadotoast mit eingehülltem Ei, dann Salat und …. ich mag nicht mehr, ich muss passen, geniesse anstattdessen ein Vormittagsschläfchen.

In Darlington werden zwei Drittel der Bahnhofshallenfläche heute als Autoparkplatz missbraucht. Zum Dessert hin bin ich aber wieder fit und der Kaffee lässt mich ganz wach werden. Dank 1. Klassebillett ist dies Alles inklusive bzw gratis, die Sitzplatzreservation war ebenfalls kostenfrei.

Die Stätte werden nun immer grösser, auch immer grössere Müllhalden, dafür wird der Zug langsamer. 12.58 Uhr in London, am Kings Cross. Es regnet in Strömen.

Ich habe Zeit, schaue mir den Bahnhof an und spaziere erst als der Regen, ungefähr 20 Minuten nach Zugsankunft nachlässt, rüber nach Sankt Pankrass International. Enorm lange Fusswege, innerhalb dieses Bahnhofs, überall lächelnde, freundliche, aber auch gelangweilte Menschen an der Arbeit.

100 Minuten vor Abfahrt meines Kanalzugs gehe ich zum Checkin, bei diesem Wetter mache ich keine Sightseeingtour. Elektronisches Billett vorweisen, am ersten Check-in funktioniert dies nicht, auch nicht am 2. Drehkreuz, zum Glück aber am 3. Durchgang; Gepäck zur Durchleuchtung, Passkontrolle, erneute Billettkontrolle, erneute Passkontroll — warum diese Mehrfachkontrollen, ich kann mir nicht vorstellen, dass dies die Sicherheit erhöht! Der Warteraum für Tunnelfahrer ist schon voll, überall stehen Leute, viel junge Leute, vereinzelt aber auch Businessmen sitzen am Boden, ich setze mich in den speziell gekennnzeichneten Warteraum der alten und gebrechlichen Menschen.

Ungefähr eine Viertelstunde vor Abfahrt wird das Abfahrtsgleis bekannt gegeben und zum Einsteigen aufgerufen. Ich pressiere nicht, weiter vorne in der Kolonne zum Rollband wird geschubst und gedrängelt. Warum verlieren gewisse Menschen beim Anstehen für etwas die Geduld und beginnen zu drängeln. Dieses Phänomen sehe ich nicht nur hier. Sondern auch an der Bergbahn, vor der Kasse im Coop, …. — überall!

Am Einstieg kontrolliert der Stewart noch einmal die Reservationen und hakt alle Reisenden auf dem Sitzplan auf seinem Tablet ab. Der Kanalzug gehört der 2. Generation an und ist innen, nicht aber ausser sauber.

Mein Sitzplatz befindet sich in der Standard Premier, einem Mix zwischen der 2. und der 1. Klasse. In der Business Premier, wäre der Zuschlag 120 Euro teuer gewesen. Immerhin, ich habe einen Einzelplatz am Fenster und sitze in Fahrtrichtung, im 2.letzten Wagen.

Bald rollen wir los, zuerst nach Norden, dann Osten, dann nach Süden und verschwinden dann in Tunnels unter London hindurch. Immer schneller geht es, bald sind wir wieder an der Erdoberflöche. Bei schönstem Südenglandwetter sausen wir dem Kanaltunnel entgegen.

Nun kommt die Landschaft zu kurz, jetzt wird nämlich das Plättchen Flugzeugnahrung serviert. Bumm schon sind wir im Kanaltunnel. Der Schienenzustand ist miserabel oder ist gar der Wagen kaputt? Immerhin gibt es noch ein Brötchen zum Essen und Butter und Wein, 1-2 Fläschen und zum Dessert einen Kaffee und Schnaps. Nein danke sonst erreiche ich Frankreich total besoffen. Dies Leistung wurde mit meinem Zuschlag von 33 Euro gut abgegolten.

Aaaaahhhh Frankreich, blauer Himmel, dann aber kleinere und grössere Seen in den Äckern. Schon wieder geht ein Gewitter nieder. Langsam bremst der Zug ab.

Pünktlich erreichen wir um 17.26 Uhr Lille Europe. Der Bahnhof sieht irgendwie anders aus. Ich habe aber keine Zeit, muss mich beeilen, die Boutique SNCF suchen.

Was für ein Designerfurz, die Bezeichnung Boutique anstatt Vente oder Billetterie?!

Genauso idiotisch sind auch die neuen Bezeichnungen für die TGV nämlich INOUI (https://ch.oui.sncf/de/tgv-inoui) und Billig-TGV nämlich OUIGO (https://ch.oui.sncf › ouigo)!

Der Spiegelartikel bringt es auf den Punkt: https://www.spiegel.de/reise/aktuell/tgv-wird-inoui-frankreich-spottet-ueber-umbenennung-a-1154923.html

Ich habe Glück. Nur 200 Meter entfernt, fernab aller Reisendenströme, es könnte sonst jemand auf die Idee kommen, einen Fahrausweis am Schalter anstatt am Billettautomaten zu kaufen. Ich bin aber auf den Verkauf angewiesen, weil Interrailreservierungen nicht online getätigt werden können. Nicht viele Reisende, der persönliche Fahrausweisverkauf ist viel zu gut versteckt! Ich kriege einen TGV Zuschlag für 20 Franken. Die mich bedienende Dame hat bemerkt, dass ich leer geschluckt habe. Sie entschuldigt sich und bietet mir einen 10 Euro Zuschlag in der 2. Klasse an. Nein danke, da sind die Sitze ja noch kleiner und schmaler. Verständnisvolles Lachen und ‚ja, die Franzosen sind körperlich kleiner als das übrige Europa‘. Soviel Selbstbewusstsein hätte ich der Dame nicht zugetraut, Chapeau!

Mein TGV kommt aus Brüssel, macht hier Kopf, Lille 17.57 – 18.03 Uhr. Die meisten Reisenden sind ausgestiegen. Viele bis Mulhouse reservierte Plätze bleiben frei, die EUkraten müssen wohl wieder mal nachsitzen.

Ich geniesse die Reise nach Süden, in den Abend hinein.

Kurzer Unterwegshalt am Flughafen Charles de Gaulle (4 parallele Start-Landebahnen).

Jetzt geht es weiter Richtung Osten. Heftige Gewitteraktivitäten. Während der ganzen Reise sehe ich keinen Zugbegleiter und auch keine Servicefachkraft. In der Bar gäbe es praktisch nichts mehr, motzt ein mir unbekannter Mitreisender.

Für was habe ich den geldgierigen SNCF denn 20 Euro bezahlt? Ich weiss es nicht!

Um 21 Uhr erreichen wir Mulhouse. Ich mache einen kurzen Bahnhofsrundgang.

Ich habe mir im alt-ehrwürdigen Hotel Nid de Cigognes (Storchennest) ein Zimmer für eine Nacht für 55 Euro reserviert. In 9 Tagen stirbt das Hotel. Nach einem alles umfassenden Umbau ….. ich mag nicht mehr zuhören. Das war mal ein tolles Hotel. Neu sollen die Zimmer um die 100 Euro kosten.

Ich habe Hunger. Knapp 10 minütiger Spaziergang Richtung Innenstadt. Im Schnoggeloch (https://als.m.wikipedia.org/wiki/Stechmücken)

bestelle ich eine Platte Choucroute mit vielerlei tierischen Zutaten und dazu ein Meteor. Hhhhmmmm!

Daheim im Hotel mag ich nicht mehr schreiben. Schlüpfe noch vor Mitternacht unter die Bettdecke!

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