29.03.2019, westwärts und nordwärts

05.30 läutet das Wecktelefon. Ich bekunde etwas Mühe jetzt schon aufzustehen, schlafe auf dem WC fast ein, aber der Wecker holt mich zurück in den anbrechenden Tag. Katzenwäsche, einpacken, anziehen. Yvonne telefoniert, die Hotelbesitzerin habe ein komplettes Frühstück vorbereitet, ich solle kommen. Nun ist klar warum das Hotel so gute Kritiken hat! 6 Uhr bin ich Reisebereit. Die liebe Yvonne wartet vor derZimmertüre, um zu schauen ob es mir gut gehe. Alles in bester Ordnung! Ich bin einfach nicht mehr so fit, sondern eher fett und ich muss wirklich alt aussehen, wenn die besten Freunde nun bereits das Köfferchen die Treppe runter tragen. Herzlichen Dank Yvonne + Michali!

Die Hotelbesitzerin grüsst fröhlich auf deutsch, Italienisch und griechisch und fragt nach meinem Befinden. Erhalte sofort Kaffee, Saft und alles andere – Zuviel!

6.20 Uhr brechen wir auf, obwohl die Chefin meint, der Zug sei noch nicht angekommen, sie sehe dies.

8 Minuten später stehen wir auf dem Bahnsteig, aus der Ferne ist das Brummen der Dieseltriebwagen zu hören. Eben geht die Sonne am wolkenlosen Himmel auf. Nun ist wildes Pfeifen und einsetzendes Kreischen von Bremsen zu hören. Aha, ein PKW und ein Lastwagen haben knapp vor dem Zug die Gleise überquert. Herrliche Morgenstimmung!

Leider nur ungefähr 15 Reisende im Zug, das kann nicht rentieren. Fast pünktlich rollen wir los. Unbeschreiblich schön ist diese Reise in den sonnigen Frühlingstag.

Das heutige Reiseerlebnis ist ein ganz anderes als das welches wir vor zwei Tagen hatten.

Wiesen leuchten grün, Äcker in verschiedenen Brauntönen je nach Trockenheit beziehungsweise ob bewässert oder nicht, Fruchtbäume blühen, überall platzen die Knospen, wird es hellgrün. Aber auch heute fällt uns auf, dass viele kleinere Bäche schon ausgetrocknet sind und selbst in grossen Flussläufen kaum noch Wasser fliesst.

Praktisch, dass wir wiederum im gleichen Wagen unsere Sitzplätze haben. So ist sind es nur ein paar Schritte bis an die Bartheke. Der Barmann spricht leidlich gut Deutsch, er hat 8 Jahre in Deutschland gearbeitet, stammt aber aus einem kleinen Dorf, 3 km neben Serres. Er spricht leider nicht nur Gutes über die Griechen hier in seiner Heimat: die Leute verschmähten richtige Arbeit, seien nicht interessiert, ausser an Autos, Fussball, Lotto und dem Schimpfen über Tsipras, dem griechischen Premierminister, der vieles besser gemacht habe als alle seine Vorgänger, Schade! OSE, die griechische Staatsbahn sei für nurmehr 47 Milionen Euro an die Italiener verscherbelt worden, nachdem die vorherigen Angebote von SNCF Frankreich über 500 Mio und ÖBB Österreich über 200 Mio nicht gefallen hätten. Für die unrentable, täglich 2-malige Verbindung von Thessaloniki und Alexandroupoli bezahle der griechische Staat den Italienern noch einmal 50 Milionen Euro jedes Jahr. Die FS liessen aber die Züge komplett verlottern, seien nur am Geld interessiert!

Um halb 12 kommt der Zugchef, vergewissert sich,dass ich immer noch aussteigen will, in Strymonas.

11.45 hält der Intercity nur für mich an. Michali übergibt mir meinen Koffer, der Zugführer winkt, der Zug fährt ab und entschwindet aus dem Bahnhof, bevor ich mich richtig von Michali verabschieden kann! Der Bahnhofsvorstand mit der roten Mütze verschwindet im Aufnahmegebäude. Der Bahnhof hat immer noch seine interessante Anlage: ein schon lange nicht mehr verwendetes Gleisdreieck zum Abdrehen der bulgarischen Lokomotiven.

2 Bahnhofshunde begrüssen mich mit wedelnden Schwänzen. Ich habe zum Glück noch ungegessene Brötchen. Nun kommen auch die restlichen 3 Hunde. Alle warten geduldig bis jeder seinen Happen erhält.

Ich wandere einmal um den Bahnhof herum, gehe dann an den Billettschalter. Der Chef bzw Alleinunterhalter beachtet mich vorerst nicht, nach ein paar Minuten erklärt er mir aber, er müsse seine Arbeit machen, habe keine Zeit, er sei OSE Mitarbeiter. Aha, jetzt nimmt er die telefonische Rückmeldung, dass unser Zug am Nachbarbahnhof angekommen ist, entgegen und trägt sie pflichtbewusst in sein Zugmeldejournal ein. Ich beobachte still und gelassen. 12.10 telefoniert er einem Täxeler. 12.15 kommt das offizielle Taxi (Kennzeichen TAZ 51.0) an. Der Fahrer will 50 Euro bis nach Kulata (13 Kilometer).

Ich verstehe nicht, warte ab, bin sprachlos. Aus 50 werden plötzlich 25 Euro, ja bis Kulata Bahnhof fahre er mich; immer noch viel aber ich akzeptiere mangels anderer Reisevarianten vor Morgen früh um 09.40 Uhr (täglicher OSE Bus).

Eingeladen und losgefahren, über die Autobahn. An der griechischen Grenze ändert der Täxeler sein Meinung. Endstation, er ladet ungefragt mein Gepäck aus, behält es aber als Pfand in Händen, bis dass ich bezahlt habe. Gangster!

Zu Fuss geht es weiter, der griechische Grenzer will meine ID sehen, fragt ob ich per Autostopp reise (nein mit OSE) und ob ich Schmuggelgut dabei habe. Ich antworte mein Koffer sei schnell geöffnet, er könne suchen. Ich darf weiter laufen.

12.35 Uhr, kurzer Fotohalt an der richtigen Grenze zwischen Griechenland und Bulgarien, der Brücke über den Bach Pirinska Bistritza, der die offizielle Grenze zwischen den 2 Ländern bildet. Ein paar hundert Meter weiter winken mich die bulgarischen Grenzer unkontrolliert durch.

Die mittägliche Hitze hier beträgt 26 °C, unerhört heiss. Ich wandere noch einen guten Kilometer weiter bis ins Dorf Kulata und zu dessen Bahnhof. Das Bahnhofbuffet ist geschlossen, wird renoviert. Ich mag nicht ins Dorf gehen, setze mich auf die einzige schattige Sitzbank, vor der Bahnhofspolizeistation. Ich bin gerade eingeschlafen, da fordert mich ein freundlicher Polizist auf, meinen Pass zu zeigen.

Kurze Kontrolle, ich darf in den wartenden Zug, ein Wagen mit Rangierlokomotive einsteigen. Pünktlich 14:15 Uhr fahren wir ab. Umsteigen in General Tudorov. Wiederum pünktlich geht die Reise weiter. 15.20 müssen wir an einem einsamen Bahnhof, ohne jedwelche Infrastruktur, 15 Minuten auf einen verspäteten Gegenzug warten, kündigt der Zugbegleiter mir auf Englisch an. Genügend Zeit, die Beine vorsichtig auf dem schmalen Zwischenperron zu vertreten. Der Gegenzug wird nämlich im Gleis nebenan einfahren. Ich staune über den riesigen Abstand von über einem halben Meter zwischen Perron und Zug.

Die Reise ist ein Genuss. Langsam steigt die Strecke an. Bald haben die Reisenden wieder Pullover an, später dann Jacken. Ein paar Kilometer südlich der Stadt Sofia erreichen wir mit 866 Metern über Meer, unseren heutigen Kulminationspunkt. Steil fällt jetzt die Strecke ab zur Hauptstadt von Bulgarien. Bald können wir wiederum nur Schritttempo fahren, müssen mit dem Schienenräumer den Kehricht auf die Seite schieben.

Auf die Minute genau um 18:42 Uhr sind wir an unserem Tagesziel. Ich bedanke mich beim Lokführer, der die ganze Zeit über seine Führerstandstüre offen gelassen und mir einen Einblick in seine Arbeit erlaubt hat.

Habe mir für heute Abend ein Zimmer im Ramada reserviert. Schon wieder Probleme mit meiner Kreditkarte, die gemäss dem Hotelpersonal aus dem Osten komme und hier nicht akzeptiert sei. Coop Supercard ist hier lusch!

Relaxen und Tagebuch schreiben.

Kurz vor 22 Uhr verspüre ich plötzlich Hunger. Gehe ins Folklorerestairant.

2 Gedanken zu “29.03.2019, westwärts und nordwärts

  1. Lieber Christoph, ein grosses Danke fuer Deine Reiseberichte. Immer wieder lesenswert. Du koenntest damit viel Geld (Rente) verdienen!!!
    Alles Gute weiterhin auf Deiner Reise. Bin gespannt wie ein Flittzebogen auf den naechsten Reisebericht. Viele Gruesse sendet Dir Klaus

    Gefällt 1 Person

  2. lieber Christoph, wir haben wieder viel Freude an Deinem Bericht und Deinen mit Humor gespichten Erlebnissen gehabt. Du schilderst alles so lebendig, dass man meint dabei zu sein. Herzlichen Dank dafür! nur weiter so! Wir warten immer mit Spannung darauf! Herzliebe Grüsse von Ruth und Fred

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