Habe mit Unterbrüchen geschlafen, der Kühlschrank brummte mir zu laut. Frühstück erst ab 07.30 Uhr. Die Rumänen sind Spätaufsteher. Ich esse nur kurz etwas. Der Rezeptionist, spricht deutsch, hat 4 Jahre in Deutschland gearbeitet, bestellt mir ein Taxi für 07.50, das erst 5 Minuten später kommt. Der Taxifahrer manipuliert den Taxameter, stellt ihn am Bahnhof unverfroren zurück. 5 Lei (1.05 €uro) ist zwar etwas viel für den knappen Kilometer, aber besser als bei dieser schlechten Luft und im aggressiven Strassenverkehr (wegen mit Autos zugeparkten Bürgersteigen) zu laufen.
Suche Gleis 28, finde auf den 3. Blick ein so angeschriebenes Gleis am seitlichen Ende des Bahnhofs. Es ist ein Dieseltriebwagen Desiro (Baureihe 96). 19 Fensterscheiben und eine Frontscheibe zeugen von Steinwürfen. Kurze Zeit später fahren wir ab.
Ich habe Glück, sitze in der 1. Klasse gleich hinter der Glasscheibe des Führerstandes. Sowohl ich wie auch die Lokomotivführerin müssen sich aber vorerst ducken, um Sicht aufs Gleis zu erhalten. Die Sonnenblende steht tief unten, lässt sich erst nach Reparatur unterwegs bewegen und anheben.
Der Gleiszustand ist teils höchstbedenklich, allenthalben sind Arbeiten im Gang. Ein mitfahrender Eisenbahner redet pausenlos mit der Triebfahrzeugführerin, die dadurch auch mal längere Zeit nicht aufs Gleis schaut und vorallem nicht immer am richtigen Ort anhält. Auch an den kleinsten Bahnhöfen stehen „Rotkäppchen“. Überall da wo mehr als 2 Weichen zu bedienen sind, zudem noch Stellwerkbeamte und Weichenwärter. Die Bediensteten an Bahnübergängen stehen mit erhobener gelber Flagge in Gitterkäfigen, neben den Wärterhäusern. Diese seien zum Schutz der Schrankwärter vor aggressiven Autofahrern, nach dem frühzeitigen Sperren der Bahnübergänge.
Am 2. Haltebahnhof sind die 2 Personale so sehr ins Gespräch vertieft, dass sie den Abfahrbefehl nicht wahnehmen. Der Bahnhofvorstand, in tadelloser Uniform und roter Mütze und Kelle ausgestattet, verzweifelt, klopft gegen den Wagen. Nach etwas mehr als 2 Minuten gibt er mir ein Zeichen, dass er nicht wisse was los sei. Ich zeige ihm mit den Händen, dass 2 Leute im Führerstand seien und pausenlos miteinander schwätzten. Er deutet darauf hin, dass ich (der unbeteiligte Reisende) im Führerstand etwas sagen solle.
Ohalätz, das wirkt, jetzt fahren wir rasant ab. Der Mitfahrer bedroht mich kurzum verbal und mit wutentbrannter Visage. Die Fahrzeugführende redet 5 Minuten lang kein Wort. Bald sprudelt das Gespräch aber wieder wie gehabt.
Fast an jedem Bahnhof stehen Getreidespeicher. Silowagen sind zum Beladen bereit. Allenthalben auch wieder viele Tauben. Ziehbrunnen, an Bahnhöfen für die teils üppige Pflanzenpracht benötigt, sind noch in Betrieb.
Hin und wieder frage ich mich, wie auch schon gestern wie die Vortrittsrechte an unbewachten Bahnübergängen hier geregelt sind. Haben Autofahrer das Pech einem Zug zu begegnen, der ihren Weg kreuzt, beschleunigen viele und schlüpfen so noch durch. Dadurch kommt es aber auch zu Schnellbremsungen und generell langsamer Annäherung der Züge an vielbefahrene, unbewachteÜbergänge.
Das Gleisnetz sieht nicht gut aus. Bachdurchlässe bis zu 1.50 Metern haben selten mal richtige Träger, allenfalls aber eine weitere darunter gelegte Schiene, hängen häufig und gut spürbar durch.
Die gefahrene Höchstgeschwindigkeit beträgt 40 km/h, meistens sind es aber um die 33-38 km/h und über Brücken meist nur 20 km/h. Die Geschwindigkeiten können mit der online-App von Pocket Earth leicht nachvollzogen werden. Trotzdem fahren wir an Bahnhöfen teils zu früh ab.
Ab der Einfahrt in Golenti ist die Bahn top modern ausgebaut, mit ETCS-Balisen ausgerüstet und elektrifiziert.
Am Anfang des Mittelbahnsteigs erwarten uns in einer Reihe ein gutes halbes Dutzend verwilderte, heimatlose Hunde mit wedelnden Schwänzen. Sie rennen mit dem Zug mit und warten bei der ersten Türe in respektvollen Abstand. Die Zugführerin steigt mit einer prall mit Brot gefüllten Plastiktragetasche aus. Nachdem die aussteigenden Reisen das Perron verlassen haben, verteilt sie das Brot auf dem Bahnsteig.
Etliche Hunde beginnen zu fressen, andere packen so viele Brotstücke wie möglich in ihren Mund und hauen dann zu ihren Verstecken in Zwischenräumen von Bahnsteig und Schienen ab, um kurze Zeit später wieder aufzutauchen und von neuem sich den Mund vollzuschlagen.
11.10 überqueren wir die Donau. 11:23 Uhr erreichen wir Vidin, die bulgarische Grenzstadt am rechten Donauufer. Unsere Bahnsteigkante ist abgesperrt. Wir müssen warten, bis sich die Grenzpolizisten nach ein paar Minuten endlich bequemen zu uns „Störenfrieden“ zu kommen.
Unsere Identitätsausweise werden uns abgenommen, die Polizisten verschwinden wieder in ihrem Wachgebäude. Ich lerne hier Lukas, einen jungen Aachener Eisenbahnersohn kennen. Seine Freundin ist für eine Woche, in Siebenbürgen alleine an einer Veranstaltung. Er hatte keine Lust hierzu, will anstattdessen auf einem kurzen Trip bis 28.03. von Rumänien aus Richtung türkische Grenze und ans Schwarze Meer reisen und Neuland kennenlernen. Er war im selben Zug.
Nach erneuten 5 Minuten erhalten wir unsere Ausweise zurück und dürfen uns nun frei bewegen. Ich trinke in der Bahnhofsbar einen Espresso. Dann schiesse ich ein paar Fotos und bewege mich möglichst lange auf dem Bahnsteig. 12:10 Uhr fährt unser Zug Richtung Sofia ab. Es ist schön mit dem aufgeweckten Lukas zu diskutieren, zu fachsimpeln und die interessante und abwechslungsreiche Landschaft zu bestaunen.
Der Zug füllt sich nun mehr und mehr. Nur für den ersten Teil ab Vidin bis Mezdra sitzen wir auf der richtigen Seite (links, östlich). Bis Sofia müssten wir jetzt wechseln, was aber nicht mehr möglich ist.
Die Nachmittagssonne am tiefblauen Himmel leuchtet die hohen Felswände sehr schön aus.
16.52 Uhr erreichen wir Sofia.
Gemeinsam durchstreifen wir den Bahnhof, bevor sich unsere Wege wieder trennen. Lukas fährt und läuft zu einem weiter entfernten Hostel, ich habe ein günstiges Hotel nicht weit vom Bahnhof entfernt gebucht.
Unterwegs dorthin erhasche ich einen kurzen Augenblick auf ein Basler Drämmli.
Telefoniere kurz mit Nenko, einem hiesigen Freund und Reiseleiterkollegen, den ich seit bald 30 Jahren kenne. Vorerst muss ich aber mal ruhen, Relaxen, Energie tanken.
19.30 Uhr gehen wir zu einem gemeinsamen Abendessen in das urige bulgarische Restaurant Kashtite. Mehrere Räumesehr schön ausgestattete Räume in einem alten Farmhaus, historische Gegenstände von Bauernhöfen, alle Wände mit Holzschnitzereieen, aus Trjavna dem Schwesterdorf von Brienz, verziert.
Gute Gesellschaft, wohl schmeckendes lokales Essen, vorzüglicher Wein.
Bin müde, muss schlafen gehen, verabrede mich mit Nenko für einen Kulturhauptstadt 2019 Besuch in Plovdiv ab 31. März. Somit stehen meine Reisepläne fest.
Lieben Dank an Lukas und Nenko für die mir überlassenen Fotos!
Die Bilderwolke funktionierte nur langsam. Aus diesem Grund, wegen Zeitmangel und grosser Müdigkeit erscheinen diese Tagebucheinträge mit grosser Verspätung. Ich bitte Nachsicht!