Heute steht uns ein langer, anstrengender Tag bevor. Bereits um 7 Uhr ist Besammlung am Innsbrucker Hauptbahnhof. 07.22, pünktlich fahren wir als Extrazug ab, mit „unserem“ historischen Triebwagen der Montafonerbahn.Zumeist oberirdisch rollen wir zunächst über die Unterinntalbahn nach Wörgl hier verlassen wir das Tal über die sogenannte Giselabahn durch den Windauer Bogen hinauf nach Kitzbühel, rüber nach St. Johann in Tirol und noch weiter hinauf auf den Griessenpass. Viele sind wach, harren der Dinge die uns heute serviert werden, andere geniessen den Schlaf und wieder an sind in angeregten Diskussionen.
Bevor es die direkte Flachlandstrecke durch Deutschland und über die Rosenheimerschleife gab, war dies die Hauptstrecke von Westösterreich nach Salzburg und Wien. Eine echte Gebirgsbahn ist die Gisela, heute auch mit starkem Güterverkehr. Die meisten dieser Züge haben Vorspann, teils schiebt noch eine Lok am Zugschluss. Im Bahnhof Hochfilzen, 970 Meter über Meer (die Leute hier sprechen von Seehöhe, dabei suche ich den See fast immer vergebens, denn sie meinen ja MüM, Meter über Meerershöhe) haben wir den Kulminationspunkt erreicht. Nun geht es ebenso steil wieder runter.
Da unser Nostalgiefahrzeug nicht über eine elektrische Bremse verfügt und demzufolge auch keinen Strom in die Fahrleitung zurückspeisen oder zumindest in Form von Wärme verbrennen kann, muss der Lokführer, möglichst weit vorausschauend, nach der sogenannten Sägezahnmethode gebremst. Der Zug wird in der Gefällestrecke dabei soweit heruntergebremst, dass in der anschliessenden bremsfreien Zeit, die ungefähr 90 Sekunden lang ist, die zulässige Geschwindigkeit trotz des starken Gefälles nicht überschritten wird. Andauerndes, mechanisches Bremsen hätte eine hitzebedingt ungünstige Auswirkung auf die Räder und Bremsklötze, sowie bei Güterzügen, mit einlösigen Bremsen, bedingt durch Luftverbrauch und abwarten bis die Bremsen durch den Druck der Leitung wieder komplett gelöst sind, auch auf das Fahrverhalten des Zuges. Es versteht sich von selbst, dass durch dieses Art von Talfahrt (in km/h bei unserem Triebwagen 60-40-60-40-….) eine viel geringere Durchschnittsgeschwindigkeit gefahren werden kann als auf der Bergfahrt. Und wir dadurch immer wieder von Zügen überholt werden.
Ungefähr um 09.45 erreichen wir Zell am See. Hier heisst es Umsteigen auf die Pinzgauer Lokalbahn, eine über 50 Kilometer lange Schmalspurbahn (760 Milimeter).
Vor der Weiterreise reicht die Zeit für einen Fototermin mit der Crew von Pro Bahn Vorarlberg. Unser Sonderzug mit Abfahrt um 10:20 Uhr, besteht aus der Lokomotive 2095.001 in der Nostalgielackierung „SGP“ und 8 zweiachsigen Personenwagen mit offenen Plattformen. Kaum abgefahren müssen bzw dürfen wir schon wieder aussteigen. Fotografieren! Über ein halbes Dutzend Fotohalte auf der Strecke müssen absolviert werden. Daneben gibt es aber auch noch viele „normale“ Halte auf Bahnhöfen, um reguläre Personenzüge (Güterzüge bzw Rollschemelzüge werden nur noch auf Bestellung gefahren) zu kreuzen bzw sie überholen zu lassen.
Mitten im Zug befindet sich glücklicherweise ein Barwagen, wo nebst Getränken aller Art auch kleine Speisen, zB Hirschwurst, erhältlich sind. Gegen Mittag fahren wir rein in einen heftigen Landrregen, auch die Temperaturen sind gesunken. Immer noch gibt es aber Unentwegte, die ein paar hundert Fotos schiessen wollen. Unterbrochen von mehreren Fotohalten erreichen wir die Krimm’ler Lahnsiedlung kurz nach 13 Uhr. 200 Meter neben der Haltestelle ist der Gasthof Schranz, wo wir zum Mittagessen erwartet werden.
Gutes Essen, günstige Preise, vorzügliche und überaus freundliche Bedienung – wir sind wunschlos glücklich. Allzu rasch verfliegt die Zeit. 15.40 heisst es bereits wieder einsteigen und, erneut unterbrochen von unzähligen Fotohalten, die Heimreise anzutreten. Zum Glück ist es nun wieder etwas trockener und sonnig.
Gegen 17.45 erreichen wir Tischlerhäusl, wo sich die Werkstätte der Bahn befindet. Der Betriebsleiter gibt uns einen fundierten Überblick über seine Bahn und führt uns durch die Werkstätte. Die Pinzgauer Lokalbahn wurde vor ein paar Jahren vom Staatbetrieb ÖBB übernommen. Seither identifiziert sich das Tal immer mehr mit seiner Bahn. Mit beschränkten Geldsummen, aber multifunktionalem Personal mit persönlichem Interesse, baut die Bahn ihren Service ständig aus. Ein lobenswertes Beispiel für eine gelungene Privatisierung!
Ein Shuttlezug bringt uns um 18.15 Uhr nach Zell am See, von wo wir mit unserem Extrazug um 18.35 zur letzten Etappe nach Innsbruck (Ankunft 22.05) starten.
Müde und erschöpft gehe ich auf direktem Weg ins Hotel, mag nicht einmal mehr Tagebuch schreiben oder duschen + fernsehen, sondern schlafe bald ein.