Nun ist der Herbst wohl endgültig angekommen. Goldige Blätter am Boden. Feuchte Nebelluft. Menschen in dicken Jacken drängeln sich am Bussteig.

Dies ist meines Erachtens eine, angesichts des Hormonhaushalts vieler jüngerer Österreicher und Slawen leider notwendige, aber auch gute Aktion der ÖBB.

Nach 9 Uhr löst sich hier der Nebel langsam auf.





Auf einer Brücke über die Drau

Auch dies ist ein Bahnhof, der mir als Eisenbahner immer im Gedächtnis bleiben wird, ich weiss aber nicht mehr warum!

Immer wieder stelle ich fest, dass hier in Österreich die Fahrpläne irgendwie nicht aufgehen. Der nächste Kreuzungsbahnhof liegt 4-5 Minuten entfernt. Wir haben auf diesem Prärie-Bahnhof, weitab von allen Siedlungen und Buslinien, aber einen planmässigen Aufenthalt von 9-10 Minuten. Warum?

Ich habe es unglücklicherweise gar nicht bemerkt, dass ich mich in ein Ruheabteil gesetzt habe.
Warum sind Piktogramme in allen Ländern so unterschiedlich und warum sind sie nicht überall am gleichen Ort im Zug angebracht?


Überlicherweise sind es Flüsse die mäandern, hier ist es aber die Eisenbahn, die wirklich jeden Misthaufen anfährt und daher immer wieder die Tal- und Flussseite wechselt und somit „mäandert“


Ich wusste bis dato nicht, dass diese 6-teiligen Flirt ETR 170 auch im Mitbesitz der ÖBB sind und ab Lienz in Osttirol schon heute durchgehend mindestens bis Franzensfeste/Fortezza verkehren.




Bald haben wir nun Innichen/San Candido erreicht. Diese Ortschaft auf 1178 Metern über Meer, ist nicht nur für den Tourismus wichtig sondern ist auch Systemwechselbahnhof von den österreichischen Bundesbahnen ÖBB (~ 15 kV,, 16,7 Hz) zur italienischen Staatsbahn FS (= 3 kV).


Damit sie nach Österreich verkehren können, mussten diese Flirt 2- System fähig gemacht werden. Eine gewisse Anzahl Züge soll nun sogar 3-Systemfähig gemacht werden, damit sie auch auf der neu zu elektrifizierenden Vinschgaubahn fahren können. Es sind schon superlange Zugläufe angedacht die die Vorstellungskraft sprengen: Mals/Malles – Bozen/Bolzano – Franzensfeste/Fortezza – Brenner/Brennero – Innsbruck bzw San Candido/Innichen – Lienz in Osttirol – Spittal-Millstättersee – Villach.

Ein paar Kilometer westlich des Bahnhofs von Innichen/San Candido ist die Wasserscheide Donau-Mittelmeer erreicht. Die Drau/Drave/Drava entspringt den Flanken der 3 Zinnen und noch etwas weiter westlich ist es die Rienz/Rienza. Nun fahren wir also wieder abwärts, Richtung Mittelmeer.


Die Bahnhöfe im Pustertalbahn sind konsequent 2-sprachig angeschrieben, häufig haben sie sogar Doppelnamen.



Perca – Plan de Corones / Percha – Kronplatz Oste eine interessant gebaut Bahnhaltestelle. Wenn Mensch oben vorbeiradelt, wie ich es vor ungefährt 15 Jahren, auf der Radtour von Basel nach Maribor getan habe, ist vo der Bahnhaltestelle nichts zu sehen.

Nur Sekundenbruchteile gibt es einen guten Ausblick auf Brunico/Bruneck, die Hauptstadt des Pustertals.

Kurz darauf überqueren wir die Rienz/Rienza.

Bald darauf erreichen wir Franzensfeste/Fortezza. Ich habe den Ort noch nie besucht, war er doch für mich immer nur ein extremer Lärm-Ort. Eingeklemmt zwischen der Brennerautobahn und der Brennereisenbahn, der Festung und den Stausee, ist es nur schwer vorstellbar, dass sich hier gut leben lässt.

Schön, dass sich die FS nun doch auch haben entschliessen können Flirt, die erfolgreichste Serie von Eisenbahnzügen, gebaut von Stadler Schweiz zu kaufen.

Weniger schön ist hingegen das Aussendesign, das den Bahnreisenden die freie Aussicht auf das vorbeiziehende Land verunmöglicht. Die Folien bedecken mehr als die Hälfte aller Fensterscheiben und lassen es in den Fahrzeugen recht düster werden. Dies lockt mit Sicherheit keine zusätzlichen Reisenden in die Züge, eher das Gegenteil dürfte der Fall sein!

Diese Strecke zwischen Bozen und Franzensfeste bzw heute natürlich in umgekehrter Richtung und im Zug, nicht mit dem Fahrrad, hat mich damals vor 15 Jahren fast verzweifeln lassen. Ungeheurer Lärm des pausenlosen LKW- und Autoverkehrs und Abgase von Verbrennungsmotoren die einen die Atemluft rauben, haben mich damals das erste Mal und einzige Mal in meinen 67 Lebensjahren ans Abbrechen einer Fahrradtour denken lassen!


Das Tal an und für sich ist wunderschön, erst recht jetzt im Herbst. Aber den mit Schadstoffen belasteten Wein von hier werde ich, der überzeugte Bio-Weintrinker nie geniessen können. Die unzähligen Schlösser, Kirchen, Burgruinen sind eine Wohltat für die Augen!

Wie kann Mensch die Natur nur so verschandeln und vernichten und nur an den eigenen Vorteil denken? Es wäre doch ein leichtes Unterfangen, einen durchgehenden Autobahntunnel von Bozen bis zum Brenner zu bauen! Sollen diese Autorasenden doch bitte selber an ihren Abgasen ersticken anstatt alle anderen Mitmenschen zu vergiften.

Endlich haben wir Bolzano/Bozen erreicht. Offenbar beginnt die Welt der Hochgeschwindigkeitseisenbahnverkehrs neuerdings schon hier.

Hier in Ponte d‘Adige / Sigmundskron beginnen die endlosen Apfelplantagen.

Viele Plantagen sind schon abgeerntet, in anderen hängen die Äpfel noch dicht an dicht!


Lasse ich mich täuschen oder liegt tatsächlich der Duft von reifen Äpfeln in der Luft?!



Merano /Meran, hier endet meine Reise in diesem Flirt. Die Vinschgerbahn, die von hier nach Mals/Malles fährt ist nämlich noch immer nicht elektrifiziert.

Warum meinen die FS, sie müssten die Fensterscheiben zukleben? Das sind meines Erachtens arrogante Autofahrer, die selber nie Zug fahren!

Im Bahnhof-Buffet von Meran bzw auf dessen Terrasse, mit wunderbarem Ausblicke auf den Schienenverkehr, genehmige ich mir etwas zu trinken und zu essen.





Das erste Leben der Vinschgerbahn begann 1906 mit deren Inbetriebnahme. 1990 wurde die Strecke stillgelegt. Die FS sahen in den Randregionenbahnen nur eine Last und keine Einnahmen. 2000 übernahm das Land die Infrastruktur. 2005 wurde die Bahn wieder eröffnet. Das Land Südtirol kaufte bei Stadler in der Schweiz von Dieselmotoren angetriebene Gelenktriebwagen, sogenannte GTW 2/6. mit diesen Fahrzeugen begann die Erfolgsgeschichte von Stadler.

Recycling ist nicht nur eine notwendige, sondern auch eine tolle Sache den Einwurf in der Mitte sehe ich hier nun zum ersten Mal. Kommt hier der Biomüll rein?



Endlich habe ich die letzte Teilstrecke des heutigen Tages geschafft. Mals im Vinschgau / Malles Venosta. Ich will nicht grad sofort in die Schweiz und heim reisen. Also laufe ich in der Hitze des Nachmittags, es sind immerhin fast 25 Grad Celsius, wir stecken mitten im Klimawandel, den Berg hinauf, in Richtung Dorfzentrum.
Aus der Kaserne der Finanzpolizei entstand 2005 die FinKa, ein Hostel der besonderen Art. Zum Feier des Abschlusses meiner Reisen mit dem 3-monatigen Interrailpass genehmige ich mir hier den Bezug eines Dachterrassenzimmers.

Die Aussicht auf den Ortler und all die anderen Berge rundherum sowie das Dorf ist sowohl am Tag wie auch in der Nacht einfach grandios.

