10.03.2021, gewisse Reisen können nicht aufgeschoben werden

Ich will heute eine von 2 dem allgemeinen Verkehr dienende Bahnen besuchen, die es ab dem Osterdienstag so nicht mehr geben wird!

Doch der Reihe nach: Heute ist der meteorologisch schönste Tag der Woche zu erwarten. Also verlasse ich Brienz bereits um 07.33 Uhr.

Entlang dem Brienzersee und nach Umsteigen in Interlaken Ost

Täuschst es mich oder schwebt noch immer Saharastaub in der Luft?

entlang dem Thunersee

Ausblick zum gegenüberliegenden Ufer, Beatenberg und aufs Niederhorn

erreiche ich um 9:30 Uhr Olten.

Der Franzoos und das Chessiloch dahinter, waren während meiner Zeit in Olten, beliebte ‚Ausflugsstätten‘ für die Aareschwimmer.

Bereits halten drei liebenswerte Freunde von PinkRail nach mir Ausschau. Hier in Olten arbeitete ich vor 40 Jahren, während vier Jahren, während dem Bahnhofsumbau, als GibHäbZünd-Disponent.

Noch immer gilt die Coronaregel von maximal 5 Personen je Gruppe oder habe ich da etwas falsch verstanden.

Um 9:49 Uhr erreichen wir den kaum wieder erkennbaren Bahnhof Liestal. Der Einschnitt südlich des Bahnhofs wird gegenwärtig abgetragen bzw. durch bis zu 20 Meter hohe Stützmauern ersetzt, um Platz für 2 zusätzliche Normalspurgleise zu schaffen. Aber auch der Bahnhof selbst benötigt zusätzlichen Platz: 10-15 m Meter für ein Durchfahrtsgleis, ein Wendegleis, einen zusätzlichen Mittelperron, sowie etliche neue Bahnhofsgebäude.

Die erste Reihe von Häusern neben dem Bahnhof Liestal mussten dem Ausbau dieses Nadelöhrs schon weichen.

An und für sich hätte ich ja Lust auf Kaffee und Gipfeli, aber die gibt es wohl nirgends, ausser im Supermarkt im Bahnhof drinnen. Also nehmen wir uns zuerst ein paar Minuten Zeit für Fotos.

Kurzum fährt ein Zug der Waldenburg Bahn (WB) ein. Die Fahrzeuge sind nicht unbedingt schön aber ein Wunder der Technik von vor 35 Jahren: sie entstammen der Familie des Tram 2000 beziehungsweise der Forchbahn und wurden erfolgreich für die Spurweite von nur 75 Zentimeter adaptiert.

Das Waldenburgerli, wie die Bahn im Volksmund genannt wird, stellt den Betrieb in der Nacht von Ostermontag auf Dienstag für 20 Monate ein. Während dieser Zeit wird die ganze Strecke komplett umgebaut und um der Strasse unsinnigerweise noch mehr Raum zu schaffen, zum Teil auf eine neue Trasse verlegt. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2022 wird die neue BLT-Strassenbahn durchs Tal der Frenke ihren Betrieb auf der Spurweite von 1 Meter mit komplett neuen Strassenbahnen aufnehmen.

Die jetzigen Fahrzeuge der WB wurden bereits an die Čiernohronská železnica (ČHŽ) in der Slowakei verkauft. Die kaufende Gesellschaft bietet heutzutage zwar nur Touristenverkehr, sowie Holztransporte aus den Wäldern an. Ihr Betriebsmittelpunkt befindet sich in Cierny Balog. Das Dorf ist den meisten Eisebahnfans bekannt, weil da der Zug durchs örtliche Fussballstadion fährt. Ich habe das Bähnchen um die Jahrtausendwende mal besucht. Schon vor über 25 Jahren wurde davon gesprochen die Bahn zu elektrifizieren, um im Tal den starken Autoverkehr zu den Wintersport-Bergbahnen zu minimieren. Das Projekt kommt aber, wie so viele der Beförderung von Reisenden dienende Eisenbahnprojekte im Osten, aber kaum mehr voran.

Nicht nur ich befürchte deshalb, es könnte leider ein ähnliches Debakel geben, wie mit den alten Forchbahnzügen in Madagaskar.

Wir wollen nicht über eine halbe Stunde warten, bis dass der nächste Zug der WaldenburgerBahn uns mitnimmt. Also verzichte ich momentan auf Kaffee und Zutaten. Anstattdessen steigen wir in den Triebwagen ein, und geniessen die Fahrt.

Es ist schön, nichtstuend ins Land raus zu schauen und die schwere Arbeit des Triebfahrzeugführers, die Hüpfersteuerung, das Betätigen des Stufenschalters (klack-klack-klack-klack-klack) akustisch zu verfolgen. Überall an der Strecke wird schon gebaut und der Umbau bzw streckenweise Neubau der Eisenbahnlinien vorbereitet.

Nach einer knapp 25-minütigen Reise erreichen wir den Endbahnhof Waldenburg.

Wem von Euch lieben Männern bin ich hier so unbedarft ins Bild gelatscht?

Erneut gibt es die Möglichkeit einer Fotosession. Nach kurzem Aufenthalt fährt der Zug mit dem wir hierher gefahren sind, wieder zurück nach Liestal.

Endlich komme ich nun zu meinem Kaffee und einem süssen Gipfeli vom Bahnhofskiosk. Zeit ist Geld, weswegen wir nicht lange auf den Absperrungsblöcken zum Bahnhofsplatz sitzen bleiben, sondern um 11:36 Uhr mit dem nächsten Zug, wieder talwärts Richtung Liestal fahren.

Grad neben der Haltestelle Talhaus haben die Freunde des Waldenburgerli‘s

einen ‚Sarkophag‘ ähnlichen Bau für ihren Museumszug erstellt.

Die schön geputzte Dampflok Gedeon Thommen, ein Personen- und ein Güterwagen wurden hier «begraben».

Leider spiegeln die grossen Schaufensterscheiben hinter denen das Waldenburgerli steht so stark, dass ein vernünftiger Blick geschweige denn eine Foto nicht möglich ist.

Also konzentrieren wir uns auf einen der letzten noch fahrenden Züge der WB und fahren nach kurzer Besichtigung beziehungsweise mit dem nächsten Gegenzug

wieder zurück nach Waldenburg, ‚verabschieden‘ uns von dieser Bahn und reisen mit dem Postauto über den Oberen Hauensteinpass nach Balsthal.

Die Burgruine Falkenstein in Balsthal

Der Bahnhof beherbergt heutzutage einen bedeutsamen Park von historischen Eisenbahnfahrzeugen. Unzählige Wagen, Triebwagen, Lokomotiven von allerlei Schweizer Normalspurbahnen fristen hier ihren Lebensabend.

Die OeBB-Bahngesellschaft hatte immer mit knappen finanziellen Mitteln zu kämpfen.

Mehrere Jahrzehnte lang, bis circa 1970 war Gerhard Kradolfer, ein Bruder meiner Grossmutter mütterlicherseits, Direktor dieser nur etwas mehr als 4 Kilometer langen Anschlussbahn OeBB zur SBB-Linie Olten-Solothurn, in Oensingen. Schöne Kindheitserinnerungen an Mitfahrten auf einer der damaligen OeBB-Lokomotiven, der Ce 2/2 102 bzw 103. Die baugleichen Fahrzeugw wurden bei den SBB nur als Rangiertraktoren eingesetzt! Ich muss mal wieder in alten Fotos herumstöbern!

Trotzdem machen wir auch hier in Balsthal keine Pause, sondern fahren ein paar Minuten nach Ankunft und nach dem Fotografieren von gut sichtbar da stehenden Eisenbahnen

in einem aufgemotzten NPZ, einem Domino nach

Oensingen.

Jede Stunde macht ein- oder mehrmals ein RABDe 500 Neigezug Halt in diesem Bahnhof

Auch hier in Oensingen bleiben uns nur wenige Minuten Zeit. Das schweizerische Reisendentransportsystem, sprich ÖV, ist gut durchgetaktet: Überall, an einer Mehrheit der Bahnhöfe gibt es unmittelbare Anschlüsse an Bahnen, Busse, Schiffe.

Wir haben die Qual der Wahl betreffend der weiteren Tagesgestaltung: diverse Postautolinien ins Mittelland bzw. auf die Höhen des Juras, die SBB Richtung Olten oder Solothurn-Biel, sowie die vor 10 Jahren erneut bis hierher gebaute Meterspurbahn Aare Seeland mobil (ASM) Richtung Langenthal-Sankt Urban oder Wiedlisbach-Solothurn.

Wir entscheiden uns für das letzte der aufgeführten Ziele, durch die Dörfer am Jura Fuss nach Solothurn.

Neuer dreiteiliger Triebzug der ASM aus dem Hause Stadler Schweiz

Ich geniesse die schöne Reise in guter Gesellschaft!

Remise der ASM in Wiedlisbach
Die Sankt Ursen Kathedrale überragt die Stadt Solothurn
ASM Endbahnhof in Solothurn

In Solothurn haben wir eine gute halbe Stunde Zeit für Fotos und die hungrigen Mägen von zweien meiner Mitreisenden.

Nicht weit vom Bahnhof finden wir eine Bäckerei. Dann sitzen wir auf einem Mäuerchen an der herrlich wärmenden Sonne. Die letzten Bissen sind noch nicht verschluckt, als wir uns wieder aufmachen müssen.

Wir durchqueren auf unterirdischen Wegen den Bahnhof Solothurn und treten auf Gleis 9 in einen NExT, die neueste Zugskomposition des Regionalverkehrs Bern Solothurn (RBS) ein.

Wiederum eine schöne Reise durchs Mittelland,

Schloss Jegenstorf
Neues Unterhaltsfahrzeug der RBS im Bahnhof Jegenstorf

dann durch die Vororte von Bern und

Aarebrücke in Worblaufen

in den unterirdischen Kopfbahnhof in Bern. Es ist noch keine Stosszeit.

RBS Bahnhof in Bern mit den nur in Stosszeiten in Betrieb stehenden Schleusen für abfahrende Reisende.

Trotzdem platzt dieser erst etwas über 50 Jahre alte unterirdische Bahnhof fast aus allen Nähten. Gut wird nun an einem grosszügigen neuen, ebenfalls unterirdischen Bahnhof, der später zum Durchgangsbahnhof Richtung Inselspital und weiter Richtung Westen verlängert werden kann, gebaut.

Auch hier, in der Bundeshauptstadt Bern, haben wir nur knappe 10 Minuten Zeit, um aus dem Untergrund aufzusteigen und im Normalspurbahnhof in einen Regioexpress der BLS nach Langnau-Luzern umzusteigen.

Jedes Mal ein Genuss ist die Ein- und Ausfahrt in Bern aus/in Richtung Norden. Bei. der Überquerung des Aaretals auf der über einen Kilometer langen, 4-gleisigen Aarebrücke bietet sich ein grandioser Ausblick auf die Stadt Bern und bei sichtigem Wetter

auf das Dreigestirn des Berner Oberlands, Eiger, Mönch und Jungfrau.

Knappe 90 Minuten dauert der letzte gemeinsame Reiseabschnitt unseres heutigen Tages. Reisende die in Eile sind können auch mit dem Interregio über Zofingen reisen und erreichen Luzern nach weniger als 1 Stunde.

In Trubschachen stehen die teils über 100 Jahre alten Fabrikationsgebäude der weltbesten Guetsli/Biskuits/Verführungen der Familie Kambly

Wir haben heute Zeit und ziehen die Reise durch die Täler des Emmentals der schnellen Reise vor.

In Luzern, im Herzen der Schweiz, haben wir genügend Zeit um umzusteigen und einen kurzen Spaziergang über den Bahnhofsplatz zu machen. Herzliche Verabschiedung, es war ein schöner Tag mit euch, Männer!

Dies war das Hauptportal des Bahnhofs Luzern vor dem Brand von 1971.

Mit einer S-Bahn fahre ich nach Giswil.

Der Pilatus, Luzerns westlicher Hausberg
Abendsonne am Sarnersee

Die Strecke zwischen Giswil und Brünig+Hasliberg ist mal wieder unterbrochen. Grund dafür ist ein Schaden an der Bahninfrastruktur im Bereich der Zahnradstrecke. Nimmt mich wunder, ob ich mal erfahre, was der Grund dieser geheimnisvollen, schwerwiegenden Unregelmässigkeit im Bahnbetrieb ist!

Die relativ neue Drehscheibe für die Dampflokomotiven im Bahnhof Giswil (Beginn/Ende der Zahnradstrecke)
Umsteigen auf den Bahnersatzbus
Der Lungernsee ist noch immer nicht wieder voll.

Im Giswil steige ich also um auf dem Bahn-Ersatzbus.

Erneutes umsteigen in Brünig+Hasliberg, nicht auf die Bahn, sondern auf den genau so schnellen, aber weitere Ortschaften bedienenden Postbus nach Brienz.

So ein schöner Reisetag. Ich bin überzeugt, mit konsequentem Tragen einer NaseMundMaske, sowie der konsequenten körperlichen Nicht-Annäherung an andere Menschen, das Corona-Ansteckungsrisiko richtig minimiert zu haben.

Zum Abendessen gönne ich mir heute einen schon am Morgen vorgekochten Gemüse-Speck-Eintopf.

Vor dem 5. April 2021 werde ich, vielleicht wieder zusammen mit Pinkrail’ern undoder anderen FreundInnen, die zweite ab dem Osterdienstag umzuspurende Eisenbahnlinie der Schweiz besuchen.

Bei dieser im westlichen Voralpenland der Schweiz sich befindenden Strecke der ehemaligen GFM von Bulle nach Broc=Fabrique wird die Meterspur zur Normalspur umgebaut.

Dies wird es ermöglichen, das Stilllager der RegioExpress Bern-Bulle von heute 38 Minuten sinnvoll zu nutzen. Zudem wird hiermit eine Zugskomposition eingespart. Der 3. Nutzen, die problemlose Bedienung der Schoggifabrik Cailler mit Güterwagen, die dannzumal nicht mehr auf Rollböcke verladen werden müssen, wurde von Cailler vor ein paar Wochen eliminiert.

Die Schoggi bzw zuerst deren Zutaten sollen nicht mehr mit der Bahn transportiert werden, sondern nur noch mit fetten Lastwagen auf der kleinen und schmalen Landstrasse. Die Strassenbauer haben schon heute ihre helle Freude daran!

Reist Du mit? Melde dich raschmöglichst bei mir (bitte nicht in den Kommentaren), danke!

Ein Gedanke zu “10.03.2021, gewisse Reisen können nicht aufgeschoben werden

  1. Hallo lieber Christoph,
    danke für den wunderbaren Reisebericht aus der Schweiz. Das macht uns Appetit endlich einmal wieder in die Schweiz zu fahren. Frank und ich haben uns gestern Abend Bilder von unserer Schweiztour im Jahre 2007 angeschaut. Damals wohnten wir in Erstfeld und haben die „alte“ Gotthardbahn für Fototouren genutzt. Sobald es wieder möglich ist, werden wir eine Schweizreise planen.
    Bleib behütet und bis bald, Frank und Harald

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