Schon kurz vor 6:00 Uhr bin ich wach. Nächstens gilt es ernst: der erste Verbandswechsel steht an. Dieser soll im OP unter Lokalanästhesie oder Vollnarkose erfolgen.
Eine Nachtdienst in Person einer Pflegefachfrau nimmt mir Blut ab. Die Blutgerinnung muss festgestellt werden, damit der Entscheid ob der Eingriff mit einer Narkose oder Spinalanästhesie durchgeführt wird, gefällt werden kann. Lustiges und interessantes Kurzgespräch.

Der Eingriff wurde zeitlich verschoben, da zuerst ein Akutpatient operiert wird. 11 Uhr an der Pforte zum OPs.
Dann darf ich noch einmal etwas dösen. Eigentlich würde ich jetzt gerne den ersten Kaffee trinken, aber das ist Heute nicht möglich beziehungsweise nicht erlaubt, da Irritationen vor dem Eingriff tunlichst vermieden werden sollen.
Um 6:45 Uhr misst ein Pflegefachmann des Nachtdiensts meine Körpertemperatur (35.8), Sauerstoffsättigung (95), Puls (64) und Blutdruck (68/137). Die tiefe Temperatur verwundert mich nicht, schliesslich war das Fenster die ganze Nacht offen. Auch der leicht erhöhte Blutdruck ist nicht weiter schlimm.
Dann erhalte ich erneut etwas Ruhe, bis kurz nach 7 Uhr die Gastgeberin ins Zimmer tritt, mir bescheidet dass ich heute nichts kriege würde, aufgrund der bevorstehenden Operation. Dann wischt die Frau das saubere Tischchen imaginär noch einmal sauberer.
7:45 Uhr betreten mehrere Pflegefachfrauen oder Fachfrauen Gesundheit mein Zimmer. Sie wühlen, über irgendetwas redend, in den für die Operation bereit gestellten Utensilien und fragen mich hinterher, ob sie auf meine Beine sehen dürften. Okay!

Nachdem dies erledigt ist, werden auch noch die Vakuumpumpen kontrolliert. Dann werden weitere Utensilien für die OP gebracht.
Jetzt fragt die Tagesverantwortliche für mein Zimmer Frau W. welches den mein Tagesziel wäre, welches die Fragen für die Visite und wie meine Zufriedenheit heute sei.
Dieses penetrante Nachfragen und darauf Bestehen, dass ich ein Tagesziel haben muss, das der Pflege dann auch noch genehm ist, stört mich immer wieder. Mein Tagesziel ist: Operation überstehen! Diese meine Aussage wird vorerst nicht akzeptiert. Erst als ich darauf bestehe und antworte dass ich sonst bei diesem Spielchen nicht mehr mitmachen würde, werden 2 Worte »Operation überstehen« notiert.
Bitte verstehe mich nicht falsch: ich finde es ja gut, dass Fragen, Ziele und Termine der Patienten notiert werden. Auch dass das aus Sicht des Patienten erwünschte Austrittsdatum notiert wird, kann ich akzeptieren – es sollte dann aber auch so notiert werden und stehen gelassen werden. Jeden Tag alles zu löschen, dann von neuem nachzufragen und erneut zu notieren ist Gaga.

Das Schwierigste ist, dass ich jetzt noch meine Zufriedenheit, Alles in Allem, anhand von 3 farbigen Smileys für die letzten 24 Stunden und den eben erst begonnenen Tag, bekannt geben soll, ist doch sehr viel verlangt! Wer weiss den was der Tag noch alles bereithält!
Um 7.50 Uhr landet der erste rega Helikopter des Tages 50 Meter neben meinem Zimmer. Wird da der erste Patient des Tages gebracht oder jemand abgeholt oder handelt sich um einen Frühstücksflug für die Heli-Crew? Ich weiss es nicht und es ist ja auch nicht wichtig für mich!

08.22 fliegt der Helikopter wieder ab, steigt steil himmelwärts Richtung der weissen Lütschine. Für Ortsunkundige heisst das, er fliegt in Richtung des Lauterbrunnentals.
Die Pflegeverantwortliche des Tages bringt mir meine Medikamente: Dafalgan (Akut-Schmerzmittel), Oxynorm (starkes Schmerzmittel), Aerius (gegen den Juckreiz), Torasemid (Wassertabletten). Alle diese Medikamente mit möglichst wenig Wasser zu trinken – es wird mir langsam aber sicher übel!
Unterdessen drückt mein Darm beziehungsweise meine Schliessmuskel. Zwei beziehungsweise drei Pflegerinnen (darf Mann dieses Wort noch sagen oder heisst es in jedem Fall Fachfrau Pflege bzw Gesundheit?) sind mir behilflich. Sie holen den Nachtstuhl, helfen mir bei der Entwirrung der Pumpen und Schläuche, wie auch beim Aufstehen aus dem Bett und dem Herunterlassen der Einweg-Spitalunterhose.

Ich bin in den letzten Tagen doch recht gstabig (starr, steif, ungelenk, unbeholfen) geworden. Ja das Altern ist schwer, die Jahre nach der Pensionierung sind nicht nur schön!
Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes erleichtert, weil ich etwas Weniges im Nachttopf zurücklassen kann. Da ich zu wenig lange Arme und Finger habe, putzt ein Pflegefachmann mir sehr feinfühlig meinen Anus, auf meinen Wunsch hin sogar mit kaltem Wasser. Herzlichen Dank!
Endlich liege ich wieder im Bett, werde zugedeckt, das Fenster wird zum Stosslüften geöffnet.
Um 9:40 Uhr erscheint die Gastgeberin und fragt nach meinen Essenswünschen für den morgigen Tag. Ich bestelle mal wieder ein Rinderfilet, da ich für die Wundheilung rotes Fleisch essen soll.
10 Uhr, heute scheint eine fahle Wintersonne. Die drei einigen Berge Eiger, Mönch und Jungfrau sind Nebel verhangen und nur teilweise zu sehen.

10:10 Uhr besucht mich die Tagesärztin …. (ach wenn ich doch nur den Namen im Gedächtnis behalten hätte), die Stellvertreterin von Doktor Schaad.
Der INR Wert ist 1.1 und somit gut für eine spinale Anästhesie
Ob dieser INR-Wert korrekt ist, muss aber mittels einer neuen Blutentnahme noch einmal abgeklärt werden. Ich verstehe dies zwar nicht, bin aber ausgeliefert.
Nach der Blutentnahme wird mir plötzlich schwindlig und schwarz vor den Augen, mein Herz poppt und in der Mitte des Oberkörpers habe ich eine starken Schmerz. Gut liege ich im Bett, sonst würde ich wahrscheinlich umkippen.
Um 12 Uhr wird der kurze Eingriff und Verbandswechsel erneut verschoben, zumindest auf 14 oder vielleicht sogar auf 16 Uhr. Langsam werde ich hungrig, aber es gibt nichts zu essen, ich muss warten, auch wenn ich unterdessen seit knapp 20 Stunden nichts mehr gegessen habe.
Mir wird von einem Fachmann der Pflege eine flüssige Spezialmahlzeit angeboten, die ich jetzt einnehmen dürfe.
Dieser Moltein Saft ist eine protein- und energiereiche, vollbilanzierte Trinknahrung (blablablabla), die trotz des angegebenen Waldbeeren Aromas ganz scheusslich stinkt. Da ziehe ich es vor zu verdursten und/oder zu verhungern!

Zur Einnahme der Mittagsmedikamente erhalte ich die Erlaubnis zusätzlich ein halbes Glas Wasser, möglichst ohne Kohlensäure zu trinken.

Ich beschliesse ein Nachmittagsschläfchen zu machen und stelle das Bett deshalb in die Waagerechte beziehungsweise lassen nur das Fussteil oben. Kurze Zeit später bin ich im Reich der Träume und bekomme nicht mit, dass ich von diversen medizinischen Fachpersonen besucht werde und dass ich erneut Antibiotika erhalte.
Kurz nach 16 Uhr erwache ich wieder. Die Tagesärztin ist gerade ins Zimmer eingetreten. Sie ist erstaunt, dass ich meinem Tablett alles diktiere und nur wenige, sehr wenige Eingaben auf der Tastatur machen.
Um 16:45 Uhr teilt mir meine Operatörin, Frau Doktor Heil mit, das der Termin erneut verschoben werden musste, dieses Mal sogar auf 23 Uhr. Es könnte aber auch sein, dass er über Mitternacht hinaus verschoben würde. Nein, das ist dann doch zu spät am am Abend. Ich möchte jetzt lieber etwas essen 😉🙃😊
immer noch landen hin und wieder Helikopter, die nach kurzer Zeit jeweils wieder abheben um neue zu rettende Gäste abholen.
Es ist schön wie immer wieder nachgefragt wird, beziehungsweise meine Meinung hierzu eingeholt wird. Des Termin wird also auf den frühen Montagmorgen festgelegt. Bis Mitternacht darf ich jetzt ab sofort essen und trinken.
16:55 Uhr habe ich bereits Mineralwasser, Zwieback und ein Hasli Erdbeer-Joghurt auf dem Tisch. Ich riskiere grosse rote Ohren (Erdbeerallergie) und esse alles sogleich auf
Ja, so geht es eben, wenn Mensch mit etwas nicht dringendem in einem alpinen Spital liegen und behandelt werden wollen.
Den ganzen Tag über landeten immer wieder Helikopter und brachten neue Arbeit für die medizinischen Fachpersonale.
Um 18:00 Uhr erhalte ich das offizielle, für mich ist sehr reichhaltige Abendessen. Trockenfleischteller, gemischter Käseteller, Gschwellti, Brot, Zwieback, Fencheltee und jede Menge Pillen.

Ich geniesse das Abendessen ganz langsam und in aller Ruhe. Danke!
Einem guten Gelingen des Sonntagabend steht noch nicht mehr im Wege. 19:30 Uhr Tagesschau, 20:05 Uhr Sonntagabend Tatort aus Münster, Abendtoilette, Tagebuch fertig schreiben, schlafen.