Am 14.03.2024 erwache ich schon gegen 04.38 Uhr mit leichten Bauchschmerzen und kann nicht mehr einschlafen.
Heute gilt es Ernst. Ich bin das erste Mal vor einer Operation leicht nervös und ängstlich. Erinnere mich immer wieder an die Fragen der Fachärzte beim Spitaleintritt, wie bei einem Herzstillstand oder anderen plötzlich auftretenden schwerwiegenden Gesundheitsproblemen vorgegangen werden soll.
Ich will in meinem Leben nicht mit Schläuchen für Atmung und anderen Vitalmassnahmen an Maschinen angeschlossen am Leben erhalten werden.
Die Vögel zwitschern schon Frühlingslieder und verströmen trotz der Kälte der Winternacht eine wahre Zuversicht.
Und doch, auch mein Lebensende rückt unweigerlich immer schneller näher. Dies spüre ich seit meinem 65. Geburtstag immer mal wieder recht deutlich.
Naja, wenn es sein soll, so soll es sein.
Andererseits würde ich doch gerne noch ein paar Jährchen leben und eventuell etwas Sinnvolles tun.
Also lese ich Zeitungen, schreibe Tagebuch, höre Musik. Die Dämmerung beginnt nun schon recht früh. Bald kann ich mehr als nur die Konturen des Därliggrats ausmachen.

Zuerst trinke ich noch einmal einen Schluck Wasser. Denn ab 5 Uhr muss ich gemäss dem gestrigen Gespräch mit dem Anästhesisten trocken bleiben. Der operative Eingriff wird nicht unter Zuhilfenahme einer Narkose, sondern mittels Spinalanästhesie, einer Rückenmarksnahen Regionalanästhesie durchgeführt.
Offizielle Tagwache ist um 6 Uhr in der Früh. Als erstes wird mir Blut abgezapft, um festzustellen, wie es mit der Gerinnung aussieht. Leider erfahre ich später, dass mein Blut offenbar noch lange in der Station gelegen hat und erst kurz vor 7 Uhr ins Labor runtergekommen ist. Dies hat eine Verzögerung des ursprünglichen Operationsablaufs zur Folge.
Heute gibt es kein Frühstück. Gestern Abend erhielt ich ein letztes Mal ein Abendessen.
Ein Teil der spezifischen Ausrüstung für die VAC-Therapie (Vakuumtherapie) wurde von der Station bereits bereit gemacht werden musste und jetzt mit mir in den OP runter transportiert wird.

Um mich nicht zu langweilen, lese ich Zeitungen, höre Musik und döse etwas vor mich hin.
Kurz nach 7 Uhr kommt endlich Bewegung in die Sache. Ich verlasse in meinem Bett liegend und ohne weiteres Dazutun mein Einzelzimmer mit Blick auf das schönste Dreigestirn der Bergwelt, Eiger, Mönch und Jungfrau.

Am Eingang zur Operationsvorbereitung gibt es einen kleinen Stau, da wir zu spät erschienen sind. Gestern Abend hiess es noch, um 7:00 Uhr beziehungsweise spätestens um 7:10 Uhr müsse ich im OP Vorbereitungsraum sein. Es geht dann doch vorwärts, denn alsbald werde ich von den Anästhesisten zusammen mit weiteren Personal und unter Zuhilfenahme eines Rollbretts auf den Batteriebetrienenen rollenden Operationsschragen umgebettet. Seidenweich fährt das Ding mich in den nächsten Vorbereitungsraum.
Immer wieder werde ich nach meinen Namen und Geburtsdatum gefragt, schliesslich sollen Verwechslungen ausgeschlossen werden.
Ich bestätige auch ausdrücklich, dass ich nicht sediert werden möchte, sondern solange es geht vollständig wach und bei Sinnen sein will. Dann wird mir für die bevorstehende Spinalanästesie geholfen mich auf die rechte Seite zu legen und einen runden Rücken zu machen. Ich spüre ein erstes Stechen, dann ein Brennen und ein zweites Stechen und dass mit der Nadel (?) in meinem Rückenmark herumgestochert wird, wobei ich immer wieder zusammenzucke, wenn ein Knochen berührt wird. Der erste Versuch muss mangels Treffer abgebrochen werden. Unmittelbar darauf wird ein 2. Versuch gestartet und dieser führt bald zum Gelingen. Bald wird es von der Hüfte an abwärts wohlig warm. Die Schmerzen sind komplett weggeblasen. Die Wärme bereitet sich dann auch im Oberkörper aus.
Dadurch dass ich in Seitenlage das Gefühl in meinen Beinen verloren habe, habe ich immer noch das Kopf-Gefühl meine Beine würden seitwärts schauen und ich würde insgesamt recht verdreht auf dem OP-Tisch liegen.
Unterdessen wurde auf Höhe meiner Brust eine Sicht- und Spuckwand aufgebaut, so dass ich nicht an mir runter schauen kann. Nach einem Blick auf die Wanduhr sehe ich, dass es unterdessen 7:40 Uhr geworden ist. Ich habe mich also recht lange bzw 5-10 Minuten mit meiner verdrehten Körperlage befasst.

Ich höre, dass eifrig mit metallenen Werkzeugen gearbeitet wird, spüre selber aber nichts davon. Also frage ich, wann denn mein Körper gerade gedreht und mit der Operation begonnen würde.
Frau Doktor Heil, die leitende Ärztin der Orthopädie am Spital Interlaken gibt mir zur Antwort, es sei alles gerade und sie seien mit dem ersten, linken Bein jetzt dann fertig mit Auskratzen. Zur Bestätigung hebt der Anästhesist kurz den Sichtschutz und die eine Ärztin hebt mein Bein in die Höhe.
Verrückt, toll, danke, vielen Dank!!!
Irgendwann nach 9 Uhr wird verkündet die Operation sei zu Ende. Jetzt höre ich auch die Vakuumpumpen, die Schnorcheln und ihre Arbeit verrichten.
Wahrscheinlich in einem Operationsraum nebenan wird gehämmert.
Ich danke allen Anwesenden für Ihre tolle Arbeit und die Kommentare. Ich vergesse nicht zu erwähnen dass ich eigentlich gerne ein paar Fotos gemacht hätte.
Über einen anderen Ausgang werde ich wieder in den Vorraum zurückgefahren und da in mein Spitalbett umgeladen.
Sofort geht die Reise weiter, dieses Mal aber in den Aufwachraum. In der Koje 21 prüft eine diplomierte Pflegefachfrau alle Lebensfunktionen. So wie es ausschaut, bin ich momentan einer der ersten Patienten im Aufwachraum.
Ich bin am Verhungern und Verdursten und sage dies auch. Mir wird beschieden, ich müsse warten bis zumindest mein Oberleib komplett aufgewacht und mein Blutdruck sich normalisiert habe.
Ich hätte nicht gedacht, dass sich die Vital- weiteren Werte währenddem ich operiert werde, derart stark verändern würden.
Teilweise bzw gegen das Ende des operativen Eingriffs hin ist der obere Wert meines Blutdrucks auf knapp unter 50 gefallen. Mindestens über 100 müsse er gehen, bevor ich die Aufwachstation verlassen könne. Ich habe ein gutes und schönes, wenn auch kurzes Gespräch mit der Chefin hier.
Knapp 5 Stunden nach Verlassen des Zimmers, sind mein Blutdruck und die anderen Werte wiederum recht gut.

Kurz nach 12 Uhr mittags werde ich deshalb von der Chefin des Frühdiensts auf der Station K, abgeholt und in mein Zimmer zurückgefahren. Kurz vor Erreichen meines Zimmers höre ich sie die Gastgeberin fragen, ob noch ein Mittagessen für mich übrig sei.
Nachdem die Überwachungsgerät wiederum angeschlossen oder mit Strom versorgt sind, wird alles gemessen und kurz darauf erhalte ich ein wunderschönes, liebevoll arrangiertes und gutes Mittagessen:

Cremesuppe, gemischter Salat (ich verzichte auf Salatsauce), Lachs mit Reis gedämpften Karotten und gegrillter Tomate.

Zum Dessert gibt es ein Brombeermousse.

Das Mittagessen schmeckt mir sehr gut. Trotzdem habe ich zu wenig Appetit um die ganze, grosse Portion zu vertilgen.
Der Küche des Spitals und dem ganzen Personal gebührt ein grosser Dank!
Alle 15 Minuten werden Puls, Sauerstoffsättigung, Temperatur und Blutdruck gemessen. Erschreckend oder überraschend stelle ich fest dass der Blutdruck plötzlich auf 125 zu 155 angestiegen ist. Das ist für das Gesundheits aber offenbar ganz normal.
Ich schätze mich glücklich, dass ich einen kurzen Blick auf das Operationsformular und das Anästhesieprotokoll werfen kann.
Auf den ersten Formular ist unter anderem vermerkt, dass es um ein beidseitiges »Debridements«, so wird in der medizinischen Fachsprache die Entfernung von überflüssigem und abgestorbenem Gewebe genannt.
Im Anästhesieprotokoll werden die primären Werte festgehalten.

Nun wage ich einen ersten Blick auf meine wichtigsten Extremitäten.

Meine Füsse und Beine sind dick einbandagiert. Je ein Schlauch führt hinaus, worin Wundsekrete und Lymphenflüssigkeit mittels Vakuum abgeführt werden.
Unterdessen sind die Beine komplett aufgewacht und die Schmerzen doch recht stark, nämlich zwischen 7 und 9 auf der 10er Skala. Wahrscheinlich werde ich so nicht lange schlafen können.
Hinterher führe ich diverse Telefonate, unter anderem mit meiner lieben älteren Schwester und weiteren Personen. Ich muss zusätzlich auch mit dem Bodenleger Stefan Trachsel telefonieren, der die Wohnung im Obergeschoss auf meinen Auftrag hin wieder gut bewohnbar macht. Unter anderem müssen in zwei Zimmern stinkende Spannteppiche ersetzt und in der Küche der Boden ausgebessert werden.
Am späten Nachmittag erhalte ich einen Besuch der Chefärztin Frau Doktor Heil, die mich heute Morgen operiert hat. Endlich kann ich ihr meine offenen Fragen stellen:
Ja, in einem Operationssaal nebenan wurde ein neues künstliches Hüftgelenk eingehämmert. Dies habe ich gehört.
Meine Anfrage betreffend Fotos der Operation beantwortet sie ganz offen »Nehmen Sie zum Verbandswechsel in der nächsten Woche im OP doch bitte ihr Handy mit. Ich werde dann ein paar Fotos für sie machen«. Toll, herzlichen Dank!


Nach dem Abendessen werde ich langsam müde. Aufgrund der doch recht starken Schmerzen kann ich aber jeweils nicht lange sondern nur minutenweise schlafen.
Lieber Christoph,
vielen Dank, dass Du mich an Deinem Leiden teilhaben lässt, das mir in diesem Ausmaß überhaupt nicht bewusst war.
Ich wünsche Dir sehr, dass dieser Spitalaufenthalt nun wirklich eine Besserung bringt und Du doch noch mal an einem Funtreffen teilnehmen kannst.
Liebe Grüße und alles, alles Gute!!!!!!!!
Bernd
LikeLike