Vor ein paar Tagen erzählte ich einem Freund hier in Brienz, ich würde am Wochenende mal wieder den Pruntruter Zipfel besuchen. Der Freund fragte mich, wie dieser Freund zu seinem Übernamen gekommen sei und wo dieser heutzutage denn wohne.
Wikipedia klärt auf bzw übersetzt einfach und ungenau: Die Ajoie [aʒwa] (deutsch Pruntruter Zipfel, früher auch Elsgau) ist eine Landschaft im Norden des Schweizer Kantons Jura.
Gerne würde ich zu so früher Morgenstunde mit dem Schiff nach Interlaken reisen. Es ist ja schön, übernachten jetzt Schiffe hier in Brienz. Nur, die Schiffsabfahrten müssen etwas früher von hier aus stattfinden, nicht erst um 11.40 Uhr. Diese späte Abfahrtszeit ist eher ein Schaden als etwas Gutes für den Tourismus.

Kurz nach 8:30 Uhr fahre ich bereits durchs mittlere Aaretal von Thun nach Bern.

Treffe ich ex-Kollege und Freund Rolf, der von Zürich her angereist ist. Würde ich jetzt noch einmal in einem EW III Swiss Express reisen, leider aber müssen wir, um unser Ziel zu erreichen, in einen grau-grünen Mutz der BLS einsteigen.

Über Biel/Bienne — Grenchen Nord fahren wir bald durch den Grenchenbergtunnel.
Dieser Tunnel ist einzigartig in der Bahngeschichte der Schweiz. Er sollte eine kürzere Verbindung von Paris bzw dem Elsass über Belfort — Delle — Delémont — Moutier nach Bern und damit zu Lötschberg und Simplon ermöglichen und den schweizerischen Eisenbahnen Mehreinnahmen ermöglichen. Heute ist er Teil der Jurabahn von Basel nach Biel. Durch einen kapitalen Fehlentscheid unserer Landesregierung wurde die BLS Lötschbergbahn 1909 damit beauftragt diese 13 Kilometer kurze, einspurige Strecke von Lengnau nach Münster zu bauen. Sie ist noch heute in Besitz der BLS und beschert ihr gute Einnahmen. Betrieben wird die Strecke seit der Eröffnung ausschliesslich durch die SBB.


Erst heute fällt mir beim Halt in Moutier auf, dass der Berner Bär an der ersten Felswand der Klus, durch ein schlecht aufgemaltes Wappen des Kanton Jura ersetzt worden ist.

Einfahrt in den Bahnhof St-Ursanne. Versteckt hinter Büschen, unten am Fluss Doubs, sieht Mensch das Städtchen Saint-Ursanne, ehemals Sankt Ursitz, hart an der Grenze zu Frankreich.


Fast nach jeder Zugsankunft fährt ein Postauto ins Städtchen. Die Fahrt runter an den Fluss lohnt sich auf jeden Fall! Das Städtchen hat einige Sehenswürdigkeiten wie die Stiftskirche, Doubsbrücken, Stadttore und das Felslabor Mont Terri. Für Ferrophile hat es vorallem auch einen tollen Ausblick zu Lehnenviadukten und zur hohen ungefähr 12-feldrigen Bogenbrücke.


Es folgt der Tunnel unter dem vergleichsweise niedrigen, jurassischen Col de la Croix hindurch, um den Pruntruter Zipfel zu erreichen. Courgenay ist der erste Bahnhof im Zipfel beziehungsweise der letzte vor Pruntrut/Porrentruy.
Es gibt wohl nicht viele Schweizer:innen, die noch nie von Courgenay, seinem Hotel de la Gare und der jungen Wirtstochter Gilberte Montavon gehört haben. Gilberte de Courgenay, wie sie schweizweit genannt wurde, machte im ersten Weltkrieg durch ihre Herzlichkeit allen Soldaten und Offizieren gegenüber, die im Pruntruter Zipfel, meist fernab ihrer Heimat den Militärdienst leisteten, das Leben ein wenig leichter. Wem ist der „Ohrwurm“ La petite Gilberte de Courgenay nicht geläufig?!


Wo starrt er wohl hin, mein Reisebegleiter Rolf? Ja, kurzum folgt der Umsteigebahnhof Pruntrut!
3 Minuten um unten durch zu gehen und auf Gleis 2 einzusteigen ist recht sportlich.

Unser Fahrtziel heisst Bonfol. Schöne Reise über Land in einem alten Zug der EBT bzw BLS.


Hinter dem abgestellten rotweissen Zug befindet sich ein mehrere Kilometer langes, Heute nicht mehr benutztes Anschlussgleis.

Traurige Berühmtheit erlangte dieses Anschlussgleis und der Ort Bonfol spätestens im Jahr 2000, als der Kanton Jura und die Basler Chemie ein Abkommen abschlossen, um den giftigen Müll, der seit 1961 hier in einer Sondermülldeponie deponiert worden war, sicher und endgültig zu entsorgen.


Als Hotel de la Gare hat schon bessere Zeiten gesehen. Es ist wohl dauerhaft geschlossen, so wie auch alle anderen Häuser rund um den Bahnhof.


Wir bleiben keinen Atem – Zug länger hier als unbedingt nötig.


Bis heute frage ich mich immer wieder, wo überall früher Giftmüll vergraben worden ist, wo heute noch überall unentdeckte Sonderabfälle lagern und wann dieses Gift denn entdeckt werden wird!

In Pruntrut besuchen wir das Städtchen, ein paar hundert Meter vom Bahnhof entfernt.



Nur wenige Gastterrassen sind geöffnet. Alle diejenigen die Speisen anbieten sind daher übervoll. Nach einer Tulpe (2 dl Bier) zum Apéro spazieren wir ….









… auf einem anderen Weg zum Bahnhof zurück. Bevor wir aber die Heimreise antreten geniessen wir auf der Terrasse des Hotel de la Gare ein ganz gutes Mittagsmahl.
Mit Glück haben wir noch den letzten Tisch am Schatten erwischt, die Sonne brennt ungewöhnlich heiss vom Himmel runter.
Heimreise im angenehm klimatisierten Flirt, …..

… an Courgenay und ….

seiner Gilberte vorbei.

Ein letzter Blick auf den Pruntruter Zipfel …


… auf Sankt Ursitz, …..


… nach Glovelier und ….

Delémont, wo wir für die Weiterreise durchs Laufental nach Basel umsteigen müssen.

Eine Kurve folgt der anderen, ich glaube es gibt kaum ein gerades Stück Schiene im Laufental …

… bevor der Zug unter dem Schloss und Infanteriesperrwerk Angenstein hindurch in die grosse Ebene vor Basel hinaus fährt.

Verabschiedung von Rolf. Im direkten Intercity verlasse ich schlummernd die Nordwestschweiz ….

… und erwache erst wieder im Angesicht der Bern Alpen, im Aaretal zwischen Bern und Thun.




Uuuäää, der Thunersee sieht stürmisch kalt aus.




Auch der Abfluss aus dem Brienzersee ist heute aufgewühlt.


Endlich sehe ich nach einem langen, aber sehr schönen Tagesausflug, mein Heimatdorf Brienz, mit dem Mühlebachfall und dem noch immer unter viel Schnee vergrabenen Brienzer Rothorn wieder vor mir auftauchen.

– Zum Bericht über die Fahrt in den Pruntruter Zipfel (danke) kann ich berichten, daß wir, die BAG inneralpine Bahnlinien (in Österreich), von 24. bis 28. April 2023 in Vendlincourt im Hotel Bahnhof sein werden. – Ausflüge machen wir nach Pruntrut, auch zum Schloß, in die Freiberge hinauf, nach Delémont und Ederswiler, und eventuell nach Belfort. – Zu Fuß wollen wir ins Elsaß hinüber wandern. – Soviel zu unserer ,,Orientierungsfahrt“ in die Schweizer Republik Jura.
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Danke, das ist ein schöner Bericht.
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Lieber Christoph vielen Dank für Deine interessante Reise in den Pruntruter Zipfel! Ich bin wieder daheim,aber noch furchtbar müde. Herzliche Grüsse von Ruth und Fredi
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